Berlins Hochschulen ausfinanzieren und auf die Zukunft einstellen
Mein Redebeitrag zum Antrag der Linksfraktion „Hochschulverträge 2024 – 2028 – Berlins Hochschulen ausfinanzieren und auf die Zukunft einstellen“.
Tobias Schulze (LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wissenschaftssenatorin ist gerade im Chefgespräch, habe ich erfahren. Deswegen ist es, glaube ich, okay, wenn sie entschuldigt ist, denn sie kämpft für eine gute Sache. Ich hoffe, sie ist erfolgreich damit. Schauen wir mal!
1,5 Milliarden Euro pro Jahr – das ist die Summe, über die wir jetzt gerade reden. 1,5 Milliarden Euro fließen pro Jahr in unsere Hochschulen, und wir als Haushaltsgesetzgeber sind zwar gehalten, den Hochschulverträgen am Schluss der Verhandlungen zuzustimmen, aber über die Inhalte der kommenden Verträge, über das, wohin wir unsere Hochschulen in den kommenden Jahren bis 2028 entwickeln wollen, haben wir bisher in diesem Haus nicht geredet.
Warum eigentlich nicht, frage ich da! Sind unsere Hochschulen nicht eine der wichtigsten Zukunftsressourcen dieser Stadt? Wir als Linke übernehmen es aber gern, diese Dienstleistung für Sie anzubieten und das Thema für die Plenarsitzung anzumelden. Lassen Sie uns also über die Zukunft unserer Hochschulen reden. Wir als Linke haben da auch einen Plan vorgelegt; Sie müssen sich dafür aber nicht bedanken, das haben wir gern gemacht.
Ich komme mal zum ersten Thema dabei: Sie haben den Hochschulen 5 Prozent mehr pro Jahr zugestanden und sich dafür gefeiert. Angesichts von Energiepreissteigerungen von 30 Prozent und mehr, angesichts von erwarteten Tarifabschlüssen, die wohl zweistellig werden, wird hier mit 5Prozent Aufwuchs aber ein Kürzungsprogramm eingeleitet, das muss man klar sagen. Oder, wie es Professor Zaby, der Präsident der HWR, im Ausschuss sagte: Mit 5 Prozent können wir gerade mal die Tür aufschließen, aber mehr wird es dann auch nicht.
Wir als Linke sagen ganz klar: Wir brauchen eine Gleitklausel. Gleichen Sie Tarife und Energiekosten, wie bei anderen öffentlichen Sektoren, vollständig aus.
[Beifall bei der LINKEN]
Das zweite Thema: die Ausbildung von Fachund Lehrkräften. Wenn der fünfprozentige Aufwuchs von der Inflation, wie gerade dargestellt, mehr als aufgefressen wird, dann fragen wir: Was wird eigentlich mit dem dringend notwendigen Aufwuchs an Studienplätzen für Fachkräfte? Dabei geht es etwa um die Psychotherapie, die nicht ausfinanziert ist, oder um die akademischen Pflegekräfte, die wir so dringend brauchen. Es geht um die Polizeistudiengänge, es geht um die Verwaltungsstudiengänge, und natürlich geht es auch um die Lehrkräfte an unseren Schulen. 1 500 Lehrkräfte fehlen in diesem Jahr; 2026 werden es schon 2 500 Lehrkräfte sein, und diese Lücke wächst weiter. Wie erklären Sie das den Eltern und den Kindern dieser Stadt?
Wir als Linke fordern Sie, besonders den Finanzsenator – jetzt ist er gerade nicht da –, auf: Geben Sie über die 5 Prozent Aufwuchs hinaus zusätzliches Geld für zusätzliche Lehrkräfte. Wir brauchen 3 000 Lehrkräfte pro Jahr, die von den Hochschulen kommen.
[Beifall bei der LINKEN]
Das dritte Thema: der Sanierungsstau. „Wir betreiben Spitzenforschung in Schrottgebäuden“ – das ist ein Zitat von Professor Rauch, der Präsidentin der TU. Und das ist, ehrlich gesagt, nicht übertrieben: Mittlerweile sind bereits am dritten großen Gebäude der TU so schwere Schäden eingetreten, dass sie geschlossen werden mussten, zumindest teilweise. Insgesamt müssen nach dem Gutachten der Hochschulen von 2018 461 Gebäude saniert werden. Auf 8 Milliarden Euro wird der Sanierungsstau an den Berliner Hochschulgebäuden mittlerweile geschätzt.
Ich frage: Was bringen uns neue Hochglanzgebäude, die hier ständig eröffnet werden, wenn der Bestand zusammenfällt? Wir fordern den Senat auf: Machen Sie einen Masterplan und suchen Sie neue Finanzierungsmodelle, und zwar ohne private Investoren, und dann kriegen wir das auch gemeinsam hin.
[Beifall bei der LINKEN]
Das vierte Thema sind die Beschäftigten an unseren Hochschulen. Mehr als 90 Prozent der angestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an unseren Hochschulen und Universitäten haben einen befristeten Vertrag. Zieht man davon die Promovierenden ab, sind es immer noch mehr als 60 Prozent. Berlin ist auch bundesweit der Befristungsweltmeister. Wir fordern Sie auf: Wenn Sie schon das Berliner Hochschulgesetz verschieben, liebe Koalition, dann vereinbaren Sie mit den Hochschulen wenigstens verbindliche Ziele für die Entfristung. Das ist übrigens auch verfassungsrechtlich vollkommen unbedenklich; das können Sie einfach machen.
[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]
Konsolidieren Sie die Verwaltungen. Wir haben Personalverwaltungen, die nicht mehr arbeiten. Wir haben Einstellungsverfahren an den Universitäten, die zwei Jahre dauern. Wir haben Prüfungsämter und Immatrikulationsämter, die nicht mehr immatrikulieren können. Wir haben IT-Abteilungen, die nicht mehr arbeitsfähig sind. Überall ist Land unter. Tun Sie also etwas für gute Arbeitsbedingungen mit diesen Hochschulverträgen, und tun Sie etwas für gute Löhne.
[Beifall bei der LINKEN]
Weitere Themen, die wir adressiert haben, sind Open Science, sind ein gutes Studium, und nicht zuletzt auch die Kooperationen mit der außeruniversitären Forschung. Zum Schluss frage ich diese Koalition: Wollen Sie wirklich als die Koalition in die Geschichte eingehen, die die Hochschulen wieder kaputtspart?
[Zuruf von der CDU)]
Wollen Sie die Gebäude in dieser Stadt verfallen lassen? Oder setzen Sie einen Schwerpunkt, packen Sie Geld in die Hochschulen, finanzieren Sie den Zukunftssektor dieser Stadt ordentlich aus! Dann können Sie vielleicht, wenn Sie Glück haben, in drei Jahren sagen: Sie haben eine gute Grundlage geschaffen, dass die Wissenschaft weiter wächst, nachdem sie 15 gute Jahre hatte. Diese 15 Jahre sollten jetzt nicht beendet werden, sondern sie sollten weiterlaufen. – Danke schön!
[Beifall bei der LINKEN]
Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour:
Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat nun der Kollege Grasse das Wort.