Thema „Cancel Culture“ ist Kulturkampf von rechts

Mein Redebeitrag in der 16. Sitzung des Abgeordnetenhauses. Zum Antrag „Cancel Culture“ an den Hochschulen konsequent entgegentreten.

Tobias Schulze (LINKE):

Wenn Herr Förster redet, braucht man hier ein bisschen.

[Heiterkeit von Carsten Schatz (LINKE) – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir haben hier ein Missverständnis vorliegen. Die AfD zettelt zum Thema Cancel Culture bundesweit einen Kulturkampf von rechts an und verkauft das als Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge; das muss man hier mal festhalten. Dieser Kulturkampf von rechts zielt darauf, dass rechte und rassistische, aber auch queerfeindliche Positionen hoffähig gemacht werden in unserer Wissenschaft, dass sie dort kritiklos stehen bleiben sollen und man das als wissenschaftlich verkauft, was keine wissenschaftliche Legitimation hat. Das sind Meinungen; das wurde hier schon gesagt. Bei vielen der inkriminierten Fälle, in denen vermeintlich von Cancel Culture die Rede ist, sind Professorinnen und Professoren – häufig sind es Habilitierte – davon betroffen, dass ihnen Kritik entgegenschlägt, und das wird dann als Cancel Culture gesehen. Aber man muss sagen: Diese Meinungen müssen immer Kritik erfahren, dafür ist die Wissenschaft da. Es geht darum, auch einen Wettstreit zu haben. Unwissenschaftliches muss auch an Hochschulen unwissenschaftlich genannt werden.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir wissen, dass es keine Wissenschaft ohne Werte gibt. Die Wissenschaft, gerade die deutsche, hat sich in der Vergangenheit an Verbrechen beteiligt, hat Dinge wissenschaftlich legitimiert, die nicht zu legitimieren waren. Das zeigt, dass wir immer den Diskurs über Werte in der Wissenschaft brauchen und es nicht sein kann, dass unter dem Deckmantel von Titeln und akademischen Karrieren menschenfeindliche Dinge verbreitet werden. Das gilt bis heute, und da müssen wir wachsam sein.
Es wurde schon gesagt: Das Berliner Hochschulgesetz sieht in § 5 die Wissenschaftsfreiheit eindeutig definiert, und es ist an allen Mitgliedern der Hochschulen, diesen § 5 mit Leben zu erfüllen. Dafür brauchen wir keinen Gesetzentwurf der AfD.
Wer sich einmal anschaut, was für Fälle so genannt werden, der muss sagen, dass die dramatischsten Fälle von Cancel Culture, wenn man es mal so nennen will, die AfD selbst auf den Weg gebracht hat. So hat sie einer Professorin, die sich unter anderem für People of Color einsetzt, in Sachsen-Anhalt nahegelegt, ihre Professur zurückzugeben. Daraufhin formierte sich ein Widerstand von 772 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die diese Professorin unterstützen. Oder sie, die AfD, hat geklagt gegen eine Studie, die das WZB in Thüringen über ihr Agieren im Thüringer Landtag erstellt hat, und wollte diese Studie zurückziehen lassen. – Das sind Fälle von Cancel Culture, wenn man überhaupt davon reden kann.
Ich glaube, wir sollten uns hier keine Illusionen darüber machen, wozu dieser Kulturkampf von rechts gedacht ist. Er ist dazu gedacht, Hegemonie zu erreichen, Dinge als regulär darzustellen, die nicht regulär sind. Diesem sollten wir alle immer und überall entgegentreten. Man kann nur die Hochschulen ermutigen, sich von dieser Kampagne nicht weichklopfen zu lassen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Tamara Lüdke (SPD)
und Lars Rauchfuß (SPD)]