Open-Source-Strategie für Berlin

Mein Redebeitrag in der 15. Sitzung des Abgeordnetenhauses. Antrag von SPD, Grünen und Linke „Open-Source-Strategie für Berlin“

Tobias Schulze (LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit des Monopolisten Microsoft ist, glaube ich, vorbei. Das gilt auch für die Verwaltungsstuben und Büros. Microsoft hat angekündigt, mit allen seinen Produkten in die Cloud zu gehen. Wir haben mit der amerikanischen Gesetzgebung des CLOUD Act und den entsprechenden Urteilen dazu die Situation, dass wir diese Produkte eigentlich nicht mehr datenschutzsicher einsetzen können, auch nicht in Verwaltungen. Das wurde hier schon gesagt. Die Zukunft ist aber offen. Das gilt auch für unsere Software. Wir haben uns mit diesem Antrag vorgenommen, eine Strategie zu entwerfen und zu erarbeiten, die umfassend auf Open Source setzt. Der Vorrang für Open-Source-Software muss bei jeder Beschaffung geprüft werden. Wir halten das für sinnvoll.
Ich will noch einmal erklären, warum das rational ist: Der Kollege Kraft von der CDU hat vorhin gesagt, das sei ein bisschen nice to have, aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass es bei all den Prozessen, die wir derzeit in der Verwaltung machen, essenziell ist, dass wir jetzt den Sprung von proprietärer auf offene Software wagen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich will drei Argumente dafür anführen. Das erste Argument ist das der Transparenz und der Demokratie. Wir überantworten mit einer digitalen Verwaltung die sensibelsten Daten unserer Bürgerinnen und Bürger den Softwaresystemen in unserer Verwaltung. Dazu kommen mögliche Anwendungen von künstlicher Intelligenz. Wir haben in Berlin solche Beispiele. Die DEGEWO sucht ihre Bewerberinnen und Bewerber für Wohnungen mit Algorithmen aus, und ich glaube, keiner von uns möchte, dass diese in Datensilos von privaten Unternehmen verschwinden, wo man überhaupt nicht weiß, nach welchen Kriterien, nach welchen Algorithmen etwa die Mieterinnen und Mieter bei öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften ausgesucht werden. Das gilt in Zukunft auch für Verwaltungsprozesse. Das muss man klar sagen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das zweite Argument, was dabei wichtig ist, ist die Frage von digitaler Sicherheit. All die großen Ausfälle und Angriffe, die wir in den vergangen Jahren hatten, hatten alle mit Schwachstellen bei proprietärer Software zu tun. Beispielsweise die TU hatte den Angriff auf ihre Active Directories auf den Windowsservern. Wir hatten die Emotet-Angriffe. All diese nutzen die Schwachstellen proprietärer Software aus und wissen ganz genau, dass es lange dauert, ehe so ein Softwareriese wie Microsoft diese Schwachstellen beseitigt, oder gar – was wir auch schon erlebt haben – die Schwachstellen offen lässt, um sie Geheimdiensten zur Verfügung zu stellen. Auch das haben wir schon erlebt.
Das dritte Argument ist das Argument der Souveränität.
Wir müssen als Verwaltung, als Staat, als demokratisches System unabhängig sein von den Geschäftsstrategien großer Unternehmen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, und es wurde ja auch schon gesagt.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir brauchen im Zweifel eine Auswahl. Die haben wir derzeit nicht, und weil das Argument vorhin schon kam: Die kommunalen IT-Dienstleister sagen ganz deutlich, dass sie das OZG mit offener Software besser umsetzen können als mit proprietärer. Das zeigt auch das Beispiel Dataport, und das zeigen auch kleinere IT-Dienstleister. Gerade wenn die verschiedenen Bundesländer sich gegenseitig unterstützen können, und das mit offener Software, über die sie selber die Hoheit haben, dann sind wir schneller und besser und nicht langsamer. Unsere Verwaltungsdigitalisierung krankt auch daran, dass wir zu viele proprietäre Produkte im System haben.

[Beifall von Katalin Gennburg (LINKE)]

Zu guter Letzt: Wir brechen das Ganze nicht übers Knie. Das muss man auch mal sagen. Es wurde schon von den gescheiterten Beispielen in München und auch im Bundestag gesprochen, und ich weiß aus eigener Erfahrung beispielsweise im Bundestag, dass da auch viel Lobbyarbeit im Spiel ist. Microsoft bezahlt große Agenturen dafür, auch ständig mit den Menschen in Verwaltungen zu sprechen – das machen auch andere IT-Konzerne – und sie davon zu überzeugen, dass ihr Produkt doch das beste ist. Da geht viel Geld hinein. Es geht darum, uns hier eine Strategie vorzunehmen, um die Vorteile zielgenau herauszuarbeiten, und es gerade nicht übers Knie zu brechen, dass wir bei jeder Beschaffung prüfen: Ist das Produkt, das wir derzeit einsetzen, konkurrenzfähig, taugt es etwas, oder ist das Open-Source-Produkt, das wir vielleicht selber entwickeln könnten oder das wir bei einem Nachbarbundesland besorgen könnten, vielleicht besser? – Das müssen wir uns genau angucken, und wir brauchen ein strategisches Vorgehen.
Klar ist auch, dass wir das Ganze mit den Beschäftigten in der Verwaltung entwickeln müssen. Die sitzen zum Schluss am Berlin-PC und bedienen diesen, und da kommt den Personalräten, die so oft gescholten werden, eine wichtige Bedeutung zu. Die haben extra die Expertise aufgebaut, um IT-Produkte prüfen zu können, und natürlich muss eine Open-Source-Strategie mit den Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung entwickelt werden. Dazu dient übrigens auch das Kompetenzteam Open Source beim ITDZ, das wir mit diesem Antrag schaffen wollen, damit dort auch die Expertise da ist, nicht nur einfach etwas am Markt zu kaufen, sondern zu überlegen: Was können wir vielleicht selber machen kann? Wo gibt es bundesweit gute Lösungen, und wo können wir flexibel unsere eigenen Produkte einsetzen?
Also ich denke, es ist ein super Schritt. Wir sind damit vielleicht mit Schleswig-Holstein zusammen Vorreiter in Deutschland. Die Bundesregierung hinkt hinterher, hat sich aber dasselbe Ziel vorgenommen. Und wenn wir hier zusammen etwas Gutes hinkriegen, dann können wir vielleicht in zehn Jahren sagen: Berlin ist offen, Berlin bleibt offen, und Berlin hat offene Software. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]