Wenckebach-Krankenhaus als Gesundheitsstandort sichern?

Mein Redebeitrag in der 12. Sitzung des Abgeordnetenhauses zum Antrag der CDU-Fraktion „Wenckebach-Krankenhaus als Gesundheitsstandort sichern“.

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Schulze das Wort.

Tobias Schulze (LINKE):
Zwischen Ihnen und dem Sommerabend stehe jetzt nur noch ich.
Es wird nicht angenehm, weil was Herr Kluckert hier gerade gesagt hat, finde ich, ehrlich gesagt, wirklich schwierig für uns als Parlament, die wir auch für Vivantes als kommunales Krankenhausunternehmen verantwortlich sind. – Ich habe sieben Minuten! Ich wollte es Ihnen nur mal sagen: Ich habe sieben Minuten.

[Zurufe von der SPD: Nein! – Björn Matthias Jotzo (FDP): Drei! Zuruf von der FDP: Fünf!]

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:
Fünf! Wir ändern das.

[Heiterkeit – Beifall von Stefanie Fuchs (LINKE)]

Tobias Schulze (LINKE): Ach, Sie ändern das. Schade!

[Paul Fresdorf (FDP): Jetzt nur noch zwei!]

Also: Wenn Sie sagen, dass Investitionen in Vivantes Insolvenzverschleppung sind, dann muss ich mal sagen: Vivantes hat während der Pandemie in dieser Stadt die wichtigsten Aufgaben übernommen; die Aufgaben, vor denen sich viele private und auch freie Träger gedrückt haben. Da ist viel Rosinenpickerei passiert. Bei Vivantes nicht, weil Vivantes kann sich gar keine Rosinenpickerei leisten. Die müssen behandeln und haben das auch zusammen mit der Charité getan. Vivantes hat als öffentlicher Träger zusammen mit der Charité eine Partnerschaft beschlossen. Sie haben fast 40 Prozent der Betten, und sie sichern an dieser Stelle den Grundstock in der Versorgung.
Und es als Insolvenzverschleppung zu bezeichnen, hier zu investieren, anstatt das Wachstum, das wir bei Vivantes brauchen, in den Mittelpunkt zu rücken, das finde ich wirklich schwierig. Sie sollten sich mal die Arbeitsbedingungen bei freien oder privaten Häusern ansehen. Sie können gerne mal zu Helios nach Buch fahren und mal mit den Kolleginnen und Kollegen dort sprechen, oder Sie können mal bei Alexianer schauen. Das ist alles kein Stück besser. Der Unterschied ist, dass sich die Kolleginnen und Kollegen von Vivantes auf den Weg gemacht haben, um durch den Streik Dinge zu verbessern. Das ist der Unterschied, deswegen ist es in die Medien gekommen. Das würden sich die Beschäftigten bei den privaten Häusern gar nicht trauen.
Das Wenckebach-Klinikum ist ein Zeichen und ein Brennglas für die Entwicklung unseres Gesundheitswesens. Wir haben hier über 20 Jahre zu wenig investiert. Es ist ein sehr altes Haus – das wurde schon gesagt –, über 100 Jahre alt. Wir haben zu wenig investiert und stehen jetzt mit diesen alten Backsteingebäuden vor der Entscheidung, ob wir sie für viele 100 Millionen Euro wieder zu einem Krankenhaus umbauen, oder ob wir sie anderen Zwecken zuführen und die Krankenhausversorgung am AVK konzentrieren und dort die Betten aufbauen. Ich glaube, diese Entscheidung müssen wir als Haushaltsgesetzgeber sehr fundiert und mit der notwendigen Sorgfalt treffen, weil es sich nicht lohnt, ein altes Krankenhaus zu sanieren. Es wird dann noch kein modernes Krankenhaus; es ist immer noch ein altes Krankenhaus, das allerdings weiterfunktionieren könnte.
Was die Leute vor Ort brauchen, ist Versorgung im Notfall – das wurde hier schon ein paarmal gesagt –, und welches Modell dafür am besten funktioniert, ob es eine Notfallpraxis ist, die abends und am Wochenende geöffnet hat und möglicherweise Akutpatientinnen und -patienten auch ins AVK rübertransportieren lässt, oder ob es eine Portalpraxis ist – ich glaube, da sind verschiedene Abstufungen denkbar. Auch Pflege hat Vivantes dort vorgeschlagen. Ich werbe aber dafür, dass wir dieses Gelände mit den Gebäuden in öffentlicher Hand behalten und nicht abgeben. Eine Privatisierung steht uns, glaube ich, nicht ins Haus.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Die öffentlichen Flächen, die wir haben, um Gesundheitsversorgung zu machen, sind so knapp, dass wir uns an der Stelle keine Abgabe von öffentlichen Flächen in die private Hand leisten können und leisten wollen. Und noch etwas können wir uns nicht leisten: Wir haben in der Bundesrepublik – und auch dafür steht das AVK wie ein Brennglas – eine Debatte über Bettenabbau. Wir haben in Berlin nicht zu viele Krankenhausbetten – jeder, der selber mal Patient im Krankenhaus ist, weiß das –; was wir zu wenig haben, ist Personal für diese Betten. Wir sollten uns darauf konzentrieren, gut Arbeitsbedingungen zu schaffen und das entsprechende Personal in die Häuser zu holen, anstatt dem Abbau von Betten das Wort zu reden.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wir müssen das Wachstum bei Vivantes in die Gänge bringen. Wir müssen gerade auch als öffentliche Hand dafür sorgen, dass Vivantes auf den richtigen Pfad kommt, dass die Häuser vielleicht auch arbeitsteilig arbeiten und sich spezialisieren, und dass nicht mehr jedes Haus alles machen will, sondern dass die Stationen sich aufteilen und dass man den Patientinnen und Patienten die bestmögliche Versorgung dort gewährt, wo sie angeboten werden kann.
Wir brauchen Vivantes natürlich auch im ambulanten Bereich. Wer sich mal anschaut, was da passiert; wie Privatinvestoren, Finanzinvestoren derzeit Arztsitze aufkaufen, um MVZ mit Augen- und Hautärztinnen, mit Spezialisten zu gründen, weil es einfach ein einträgliches Geschäft ist, der weiß, dass wir dem auch einen Riegel vorschieben müssen – das können wir nicht im Land Berlin machen, das müssen wir auf Bundesebene machen –, weil es eine Konzentration von Arztsitzen in Bereichen ist, in denen wir gar keine brauchen. Wir haben die Unterversorgung im Osten Berlins und zum Teil in Reinickendorf und Spandau. Dort müssen Arztsitze hin. Wir brauchen nicht die Konzentration in wenigen gewinnträchtigen privaten MVZ. Die Frage, wie man Arztversorgung in die unterversorgten Bereiche bekommt, müssen wir mit der KV Berlin und mit Vivantes zusammen beantworten. Mir ist es dreimal lieber, dass Vivantes ein solches Versorgungszentrum betreibt, das dann auch in Marzahn-Hellersdorf, in Hohenschönhausen oder vielleicht in Treptow-Köpenick steht, und dort endlich die Versorgung hinkommt, als dass wir eine weitere Konzentration haben.
Insofern: Ich sehe Vivantes da vor großen Herausforderungen. Wir werden als Land Vivantes auch weiter unterstützen. Wir werden die Entscheidung, die vor dem Hintergrund der Bedarfsanalyse in Tempelhof-Schöneberg zum Umbau des Wenckebach-Klinikums ansteht, die Vivantes dort gemeinsam mit dem Aufsichtsrat treffen muss, unterstützen. Ich bin dafür, das mit den Bürgerinnen und Bürgern sehr frühzeitig und richtig zu diskutieren und mehr Transparenz in den Prozess reinzubringen, denn sie müssen mitentscheiden bei dem, was dort vor Ort passiert, und sie sollten sagen, was sie dort wollen. Aber richtig ist: Wir müssen auch sehen, dass wir unsere vielen 100 Millionen Euro Krankenhausinvestitionen an die richtigen Stellen bringen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Bettina König (SPD)]

 

Dann gab es noch eine Kurzintervention des Kollegen Kluckert, die ich euch nicht vorenthalten möchte.