„Bundesratsinitiative für eine angemessene Vergütung von Pflegestudierenden“

Mein Redebeitrag in der 12. Sitzung des Abgeordnetenhauses zum Antrag von SPD, Grünen und Linke „Bundesratsinitiative für eine angemessene Vergütung von Pflegestudierenden“.

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Schulze jetzt das Wort.

Tobias Schulze (LINKE):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Interesse an dem Thema in diesem Haus ist nicht überwältigend. Ich glaube aber, der Bedeutung dieses Themas ist es trotzdem angemessen, dass wir uns an prioritärer Stelle darum kümmern.

[Beifall bei der LINKEN und der FDP]

Was der Klimawandel für unsere äußere Umwelt ist, ist der Pflegenotstand für unser soziales Gefüge. Vielen ist noch gar nicht klar, was in den kommenden Jahren an Herausforderung in diesem Bereich auf uns zukommt. Das betrifft sowohl den Bereich von Krankenpflege, es betrifft den Bereich von Altenpflege, und es betrifft auch den Bereich von Pflege behinderter Menschen.

Nun kann man sich fragen, warum Pflegekräfte eigentlich studieren sollen – man könnte es auch bei der Ausbildung belassen, die es bisher schon gibt, die vergütet ist –, und viele tun das auch. Wir haben es mit deutlich steigenden Anforderungen an die Pflegekräfte zu tun; das haben die Kolleginnen und Kollegen vor mir schon ausgeführt. Es geht um schwere Krankheiten, es geht um Sterbebegleitung, es geht auch darum, die Einsamkeit von zu pflegenden Menschen zu verringern, es geht um interkulturelle Herausforderungen in der Pflege, die in unserer heterogener werdenden Gesellschaft steigen. Es geht auch darum, große Strukturen, große Träger, mit Leitungs- und Führungspersonal auszustatten. Nicht zuletzt ist das Studium einer Pflegekraft auch die Möglichkeit, besser über dem Job zu stehen und die Herausforderung besser zu bewältigen. Ich sage: besser studierte Pflegekräfte als Burn-out, besser Akademisierung als die endgültige Erschöpfung.

[Beifall von Aferdita Suka (GRÜNE)]

Vielleicht noch einen Satz zum internationalen Vergleich: Wir sind in Deutschland, was den Ausbildungsstand und die Kompetenzen von Pflegekräften angeht, ein Entwicklungsland. In anderen Ländern dürfen Pflegekräfte oder Nurses, wie sie oft genannt werden, viel mehr als hier. Wer von uns beim Impfen war, weiß, dass erst ein Arzt oder eine Ärztin auftauchen musste, um einem die Spritze in den Arm zu hämmern. Das ist in anderen Ländern anders. Dort dürfen Pflegekräfte – Krankenschwestern, Krankenpfleger – das, weil die Kompetenzen für gut und akademisch ausgebildetes Pflegepersonal im Vergleich zu Deutschland deutlich erweitert sind. Uns wurde schon gesagt, dass es nur hier so sei, dass Pflegekräfte weisungsgebunden an die Anweisung der Ärzte und Ärztinnen sind. Sie dürfen eigentlich gar nicht eigenständig handeln – auch das ist rückständig, auch das müssen wir verändern.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Aber was haben wir gemacht? – Wir haben die akademische Pflegeausbildung auf den Weg gebracht und pressen die akademischen Teile und die praktischen Arbeitsanteile in einen Wochenalltag von 50 bis 70 Stunden, davon etwa die Hälfte der praktischen Anteile im Schichtdienst. Das hält niemand lange durch; die jungen Menschen brechen reihenweise das Studium ab. Das kann ihnen auch keiner verdenken, denn als Alternative steht immer noch die normale Ausbildung, die deutlich weniger kompakt gestaltet ist und wo eine Vergütung hinzukommt, zur Verfügung.

Bei den Pflegestudierenden entfällt die Vergütung komplett und das bei diesem unglaublichen zeitlichen Aufwand, der kaum durchzuhalten ist und erst recht dann nicht, wenn man einen Job braucht, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und seine Miete bezahlen zu können. Da wundert es auch nicht, dass bis zu 80 Prozent abbrechen. Man muss sagen, in diesen Zeiten können wir uns solche Abbruchzahlen nicht leisten. Wir brauchen diese Menschen.

[Beifall bei der LINKEN]

Was hat das mit der Vergütung zu tun? – Die Ampel hat im Koalitionsvertrag, wie schon erwähnt wurde, gesagt, dass sie die rechtlichen Lücken schließt. Sie will analog zu den Regelungen bei den Hebammen auch eine Vergütung für Pflegestudierende einführen. Gerade wurde gefragt, warum wir diesen Antrag mit der Bundesratsinitiative machen, wenn es schon im Koalitionsvertrag der Ampelregierung steht: weil der Koalitionsvertrag der Ampel sehr geduldig ist. Wir sind es aber nicht, und die Pflegestudierenden sind es auch nicht.

Vielleicht schaffen es die Kolleginnen und Kollegen der FDP, aber auch die der SPD und die von Bündnis 90/Die Grünen, auch hinter den Kulissen ein bisschen Druck reinzubringen und auf ihre Parteikolleginnen und -kollegen in der Bundeskoalition einzuwirken. Ich glaube aber, wenn die Länder deutlich machen, dass sie schnell eine Regelung erwarten, dass wir es uns im Pflegestudium nicht leisten können, weitere Menschen zu verlieren, dass es schnell gehen muss – noch in diesem Jahr –, dann bekommen wir vielleicht zusammen etwas hin. Ich wünsche es uns allen. Wir brauchen diese Pflegekräfte, wir brauchen besser ausgebildete Pflegekräfte und Pflegekräfte, denen es so gut im Job geht, die so drüber stehen, dass sie bleiben. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

 

Das Protokoll findet ihr hier.