Fred SprengbüroRemistenhof Koloniestraße 10: Illegaler Gebäudeabriss ohne Sicherheit für Mieter*innen, ohne Kultur- und Naturschutz?
Schriftliche Anfrage vom 12. Februar 2025, Drucksache 19/21653
Fragesteller: Tuba Bozkurt (GRÜNE), Mathias Schulz (SPD) und Tobias Schulze (LINKE)
Fragen:
1. In Bezug auf den beabsichtigten Teilabriss von Gebäuden an der Koloniestraße 10 wurden die seitens der Bauherrin bzw. des Bauherrn vorgenommene Artenerfassung und die Abschätzung der Betroffenheit der Arten jüngst seitens der Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz Berlin (BLN) e.V. als defizitär, unvollständig und nicht plausibel bewertet. Wie schätzen Senat und Bezirksamt diese naturschutzfachliche Kritik jeweils ihrerseits ein?
2. Inwieweit hat die zuständige Stelle Hinweise, Anweisungen, Auflagen oder Bedingungen zum effektiven Artenschutz schriftlich erteilt und in welcher Form sind sie dokumentiert und zugestellt worden?
3. Trifft nach Einschätzung des Senats die Aussage im Gutachten des Vorhabenträgers zu, dass nachweislich genutzte künstliche Nistkästen nicht geschützt seien?
4. Art. 31 Abs. 1 der Verfassung von Berlin stellt die Umwelt und die natürlichen Lebensgrundlagen unter den besonderen Schutz des Landes. Nach Abs. 2 sind die Tiere als Lebewesen zu achten und vor vermeidbarem Leiden zu schützen. Der Senat hat 2019 eine Klimanotlage für Berlin erklärt, 2021 bekräftigt. Seit 2023 tritt er ausweislich seiner Richtlinien dafür ein, den Klimaschutz als Staatsziel in der Berliner Verfassung zu verankern. Wie erklärt der Senat vor diesem Hintergrund, dass eine Anlage, die mustergültig den vom Abgeordnetenhaus mit Beschlüssen und gesetzlichen Festlegungen getroffenen Vorgaben und Leitbildern entspricht (Schwammstadt, Stadtklima, Artenschutz, wohnungsnahe Erholungsräume, Beteiligung) von Senat und Bezirk in ihrem Bestand nicht geschützt wird?
5. Inwieweit wurde von der zuständigen Behörde von den gesetzlichen Vorgaben zum Artenschutz abgewichen, welche den Erlass einer Abrisserlaubnis nur unter der Bedingung vorgezogen durchgeführter Ersatzmaßnahmen vorsehen? Welche Rechtsgüter wurden für diese Entscheidung herangezogen und nach welchen Kriterien gegeneinander abgewogen?
6. Ist dem Senat bekannt, dass gemäß Planungsunterlagen vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (Efeupflanzung) auf einem Nachbargrundstück (an Brandwand) verortet sind, obwohl dies mit dem Eigentümer dieses Nachbargrundstücks nicht vereinbart worden ist?
7. Wie ist bauaufsichtlich zu bewerten, dass die Abrissmaßnahmen in artenschutzrechtlich relevanten Bereichen auf dem Kulturhof Koloniestraße 10 durchgeführt werden, obwohl das Bauvorhaben aufgrund der bestehenden Milieuschutzsatzung nicht umgesetzt werden kann?
8. Trifft es zu, dass bereits Abrissmaßnahmen im artenschutzrechtlich relevanten Bereich durchgeführt wurden trotz fehlender Genehmigung des Bauvorhabens oder der erforderlichen Teilbescheidungen, wie eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Absatz 7 Bundesnaturschutzgesetz? Sieht die Bauaufsichtsbehörde Anlass zum Einschreiten, um den Bestand zu sichern? Warum (nicht)?
9. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um den Abriss von Nebengebäuden mit laufender Haustechnik zu unterbinden? Welche behördliche Gefahreneinschätzung für Anwohnende und Nutzende, Umfeld und Umwelt durch eine mögliche Beschädigung von Heizungs- und Wasserrohren lag dem zugrunde? Inwieweit wurde der Abriss angesichts der zahlreichen berührten öffentlichen Belange durch die zuständigen Stellen eng überwacht?
10. Welcher Auffassung ist der Senat zur Frage eventuell erforderlicher juristischer Schritte des Landes Berlin gegen Bauherrin bzw. Bauherrn (Investor*in), Unternehmerin bzw. Unternehmer oder die Bauleitung wegen des womöglich illegalen Abrisses und versuchter Beseitigung artenschutzrelevanter Strukturen?
11. Über welche Maßnahmen verfügt die bezirkliche Bauaufsicht, um nicht genehmigte Abrisstätigkeit zu verhindern? Warum werden diese hier nicht ergriffen?
12. Schätzt der Senat das Handeln des zuständigen Bezirksamts hier als sachgerecht ein? Welche aufsichtlichen Maßnahmen kommen grundsätzlich in Betracht und (warum) wurden sie hier (nicht) ergriffen?
13. Die Verfassung von Berlin hebt auch Schutz und Förderung der Kultur in den Rang eines Rechtsguts von überragender Bedeutung, Art. 20 Abs. 2 und Art. 21 VvB. Inwieweit wurde dieser Aspekt bislang im Planungs- und Genehmigungsverfahren zum Gelände Koloniestraße 10 berücksichtigt?
14. Ist der Senat bereit, einen Vermittlungsversuch zu unternehmen, mit dem der Hof gerettet und trotzdem Wohnungen geschaffen werden können?
Antwort:
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-21653.pdf

