Meine Reden im Berliner Abgeordnetenhaus

Abschließender Redebeitrag zum AfD-Antrag "Einsetzung einer Enquete-Kommission „Aus Corona lernen – Berlin für die Zukunft resilient aufstellen“

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD ist der parlamentarischer Arm der Protestbewegung gegen die Coronamaßnahmen. – Das stammt nicht von mir, sondern von Frau Dr. Brinker, das hat sie selbst erklärt.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Habe ich nicht so erklärt!]

Und Sie haben damit auch erklärt, dass Querdenker, Coronaleugner, Impfgegner und Schwurbler die Klientel sind, auf die Sie ganz bewusst gesetzt haben.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Mit Sicherheit nicht!] – Das war Ihre Äußerung.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Das hat Herr Sundermeyer so gesagt!]

Die Kritik an den Coronamaßnahmen haben Sie benutzt, um im Bündnis mit Reichsbürgern und anderen Rechtsextremen staatliche Instanzen grundsätzlich anzugreifen. Es waren Nazis, Reichsbürger und die Nachwuchsrechtsradikalen von der Jungen Alternative, die im August 2020 den Reichstag anlässlich Corona stürmen wollten. „Putin, Putin!“, wurde dort gerufen und russische und Reichskriegsflaggen geschwenkt, und AfD-Abgeordnete aus diesem Haus haben diese Demonstrationen begrüßt und die AfD-Mitglieder aufgerufen, an den Demonstrationen teilzunehmen.

[Zuruf von Ronald Gläser (AfD)]

Sie haben das Elend der Coronapandemie benutzt, um das Klima in der Gesellschaft weiter zu vergiften und gegen staatliches Handeln insgesamt zu hetzen. Dafür sollten Sie sich, ehrlich gesagt, schämen!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und der SPD – Dr. Kristin Brinker (AfD): So ein Unsinn!]

Aber nicht nur für die Demokratie sind Sie eine Gefahr: Ihre Hetze, Ihre Desinformation und Ihre Schwurbelei haben Menschen das Leben gekostet.

[Ronald Gläser (AfD): Lächerlich!]

Und da geht es gar nicht nur um die AfD-Politiker selbst, die stolz darauf waren, dass sie sich nicht haben impfen lassen und das nicht überlebt haben, sondern es geht auch um die Impfpflicht für Pflegekräfte, gegen die Sie agitiert haben. Menschen, die mit hochvulnerablen Gruppen in Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiteten, waren verunsichert. – Keine Zwischenfragen, bitte! – Danke! – Dabei haben wir schon eine Impfpflicht in Deutschland, nämlich die gegen Masern, die vollkommen reibungslos gelaufen ist. Erst als die Rechtsradikalen Corona als Thema entdeckt haben, entstand der Widerstand gegen Impfpflichten. Und man muss sagen: Ihr Schwurbeln tötet, meine Damen und Herren, und zwar ganz konkret.

[Ronald Gläser (AfD): Lächerlich! –
Dr. Kristin Brinker (AfD): Das ist so peinlich!]

Es ist nicht glaubwürdig, wenn Sie als selbst ernannter parlamentarischer Arm der Coronaproteste und Querdenker, der staatliches Handeln insgesamt infrage stellt, nun hier eine Enquete-Kommission beantragten.

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Eine Enquete-Kommission, die ja gerade darauf gerichtet sein muss, zur besseren Aufstellung staatlichen Handelns beizutragen.

[Ronald Gläser (AfD): Das ist dringend notwendig!]

Aber warum haben Sie keinen Untersuchungsausschuss beantragt, wie im Bundestag oder wie in anderen Landtagen, zum Beispiel in Brandenburg?

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Weil wir nach vorne in die Zukunft schauen!]

Haben Sie sich das nicht getraut? Aber Sie sind doch eine Partei! Sie hätten diesen Untersuchungsausschuss vermutlich benutzt, wie in anderen Ländern auch, um Ihre Verschwörungstheorien abzufragen und Ihre Blase zu füttern. Aber halten Sie uns mit dem Antrag nicht für dumm, indem Sie hier die seriösen Zukunftsplaner geben! Wir kennen Sie aus den Ausschüssen, wir wissen, was Sie dort getan haben.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Aha! Wo kennen wir uns denn aus den Ausschüssen?]

Während der Pandemie haben wir nichts von Ihnen zu Krankenhauskapazitäten oder zum öffentlichen Gesundheitsdienst gehört, nur Schriftliche Anfragen zu Impfpflichten oder zu angeblicher staatlicher Propaganda. Das waren Ihre Themen während der Pandemie.

[Zurufe von der AfD]

Jetzt ist es daran, dass die Fachausschüsse diese Pandemie seriös aufarbeiten, dazu brauchen wir keine EnqueteKommission und schon gar nicht Ihren Antrag. – Schönen Dank auch!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Pflege und mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie an den Ausschuss für Verfassung- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.
 

Aufarbeitung Corona Covid19

Mein Redebeitrag zum Gesetzentwurf von CDU und SPD zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes

Tobias Schulze (LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Einstieg will ich mal der CDU-Fraktion meinen Dank aussprechen.

[Ülker Radziwill (SPD): Uih!]

Sie machen diesen Gesetzentwurf zu Ihrer heutigen Priorität und stellen damit sehr klar, auf wessen Seite Sie nicht stehen. Sie stehen nicht auf der Seite der Tausenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Berlin, die seit 2021 auf das Inkrafttreten dieses wegweisenden Gesetzes warten, sondern ganz klar auf der Seite der wenigen, die weiterhin auf Kettenbefristungen und Hire and Fire in unseren Hochschulen setzen. Danke für diese Ehrlichkeit! Das wollte ich am Anfang deutlich machen.
Das neue Berliner Hochschulgesetz ist ein Modell, das deutschlandweit als Vorbild für eine nachhaltige Personalstruktur in der Wissenschaft diskutiert wird. Es folgt einem konkreten Grundsatz: Wer promoviert ist, darf nur dann weiter befristet angestellt werden, wenn über festgelegte Kriterien eine Dauerstelle zu erreichen ist. – Dieser Grundsatz zieht sich durch alle Personalkategorien, ob Juniorprofessur, Dozentur oder WiMi. Unsere Höchstqualifizierten müssen mit Mitte dreißig wissen, ob sie eine Perspektive in der Wissenschaft haben oder nicht. Das ist das Ziel.
Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine der Leistungsfähigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Hochschulen. Das hat die Kollegin Neugebauer schon angesprochen. 90 Prozent des wissenschaftlichen Mittelbaus an unseren Universitäten sind befristet beschäftigt. Bei den Promovierten sind es immer noch 60 Prozent. Sie kämpfen alle paar Monate oder Jahre darum, dass es für sie irgendwie weitergeht. Ich zitiere hier mal mit Erlaubnis des Präsidenten eine renommierte Kollegin aus der Humboldt-Universität:
Ich war in vier Jahren an acht Unis, und das war nicht mein Wunsch. Die BahnCard 100, die ich brauchte, hat mir niemand bezahlt. Viele Kolleginnen, die ich kannte, sind an dieser Situation zerbrochen.
Das ist die Realität in unseren Universitäten. Wir verschleudern derzeit das Potenzial unserer Nachwuchswissenschaftlerinnen. Sie kämpfen um ihre Existenz, anstatt diese Energie in Forschung und Lehre zu investieren. Das ist das Problem. 70 Prozent unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreichen keine Dauerposition, sondern fliegen im mittleren Alter einfach aus dem System. Wir haben eine Bestenauslese in der Wissenschaft, die Besten steigen nämlich aus und suchen sich was anderes oder gehen ins Ausland. Das ist die Bestenauslese.
Bundesweit sind in dieser Woche Forscherinnen und Forscher aus dem Mittelbau auf die Straße gegangen. Sie fordern von Bund und Ländern das, was im neuen Berliner Hochschulgesetz in § 110 steht: Befristung nach der Promotion nur noch mit einer Anschlusszusage. Und sie werden darin von Tausenden Professorinnen und Professoren unterstützt. Der Ich-bin-Hanna-Bewegung folgt jetzt die Bewegung „Profs für Hanna“. Es lohnt sich auch, mal Berliner Hochschulpräsidentinnen wie Professorin Rauch von der TU zuzuhören, die genau dieses Modell Anschlusszusage bewerben.
Das ganze Wissenschaftssystem ist im Umbruch und diskutiert derzeit darüber, wie prekäre Verhältnisse in unseren Hochschulen und Forschungseinrichtungen überwunden werden können. Was tut diese Koalition in dieser Situation? – Sie verschiebt das einzige deutschlandweite Hochschulgesetz, das ein Vorbild für eine bundesweite Personalstrukturreform sein kann, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Ist das Ihr Ernst, ganz ehrlich, in dieser Situation? – Wir haben diese Woche diese Aktionswoche der WiMis und der Nachwuchswissenschaftlerinnen, und Sie haben nichts anderes zu tun, als dieses Gesetz hier einzubringen. Das ist, ehrlich gesagt, irre.
Die Hochschulen haben bereits mit der Umsetzung der Entfristung begonnen. Sie haben Kommissionen gegründet und Modelle für den Tenure-Track, also die Bewährung bis zur Dauerstelle, erarbeitet. Ab Oktober sollte es losgehen. Unsere Unis sind bereit, und jetzt stoppen Sie diesen Aufbruch. Sie schaden der Berliner Wissenschaft. Viele weitere Nachwuchswissenschaftlerinnen werden sich entnervt von Berlin abwenden. Schon die zweijährige Übergangsfrist von 2021 zu 2023 hat sie geärgert, aber die jetzige Kehrtwende von CDU und SPD lässt die Hoffnung in die Politik endgültig schwinden.
Ich muss noch mal sagen, es wurde schon angesprochen: Offenbar haben Sie Angst vor den Reaktionen aus der Wissenschaft, oder warum verweigern Sie im Wissenschaftsausschuss eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf? Lassen Sie uns darüber reden! Laden Sie die Betroffenen ein!

[Zurufe von Adrian Grasse (CDU) und Heiko Melzer (CDU)]

Laden Sie die Gewerkschaften ein! Sie hätten genug Zeit, das Gesetz dann noch durchzubringen, um es im September beschließen zu lassen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Mutig und innovativ, so sollte gute Wissenschaft sein. Was Sie hier machen, ist leider mutlos und rückwärtsgewandt. Sie können sich auf entschiedenen Widerstand gefasst machen, von den Betroffenen, von den Gewerkschaften, von den Initiativen, von den Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern, von den Menschen aus dem Mittelbau und selbst von den Professorinnen und Professoren, die sich mit der Vorbereitung dieser Personalstrukturreform befasst haben. Und Sie können sich auch auf unseren entschiedenen Widerstand gefasst machen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Änderung BerlHG Hochschulen Hochschulgesetz

Mein Redebeitrag zum dringlichen Antrag der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus am 25. 5. 2023

Tobias Schulze (LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die besten Debatten kommen immer zum Schluss. Ich sehe Ihnen die Vorfreude förmlich ins Gesicht geschrieben. Studierende waren und sind eine der einkommensschwächsten Gruppen in unserer Stadt, und sie fallen leider viel zu oft durch alle Raster der sozialen Abfederung. Seit Anfang der 2000er Jahre gibt es nach langen Verhandlungen Semestertickets im Solidarmodell. Solidarmodell heißt: Alle bezahlen und alle dürfen fahren. Das Geld dafür wird mit der Rückmeldegebühr eingezogen, ähnlich wie ein Firmenticket.
Gut funktionierende Semestertickets wurden immer als Vorbild für eine solidarische Finanzierung des ÖPNV gesehen, etwa als Vorbild für eine Nahverkehrsumlage. Die Berliner Semestertickets waren mit fast 200 000 festen Zahlerinnen und Zahlern auch immer planbare und sichere Einnahmen für die Verkehrsunternehmen. Selbst in der Coronakrise standen diese Einnahmen in vollem Umfang zur Verfügung und zwar auch dann, als sich alle anderen abgemeldet haben vom ÖPNV.
Aber nicht nur für die Verkehrsunternehmen, sondern vor allem für die Studierenden ist ein preisgünstiger Nahverkehr wichtig, erst recht, wenn die Kosten für Lebensmittel, Mieten oder Energie explodieren.
Wir hatten letztes Jahr ein 9-Euro-Ticket bundesweit. Wir hatten auf Berliner Ebene ein 29-Euro-Ticket und haben ein 9-Euro-Sozialticket bis heute, aber die Studierenden wurden immer wieder vergessen. Es gab keine Angebote seitens des VBB, die in diese neuen Preisstrukturen passten. Heute zahlen Studierende in einem verpflichtenden Modell, das sie zwangsweise bezahlen müssen, auch die, die gar nicht damit fahren, immer noch fast 33 Euro pro Monat.
Wie erklären Sie denn Studierenden, dass Sie zwangsweise mehr zahlen als die Leute, die zukünftig freiwillig ein 29-Euro-Ticket kaufen sollen?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Studierenden fordern, dass es auch für sie Entlastungsmaßnahmen gibt, dass auch für sie der Preis gesenkt wird. Das fordern sie, ehrlich gesagt, vollkommen zu Recht. Was macht der Senat? Was macht der VBB? Er würde am liebsten noch Preissteigerungen in den Verhandlungen durchsetzen und auf Kosten der Studierenden Mindereinnahmen an anderer Stelle kompensieren, weil sie sich nicht wehren können; sie haben Zwangsverträge.
In sechs Tagen laufen nun die Verträge für Hochschulen mit 80 000 Studierenden aus. Es gab seit April kein neues Angebot des VBB – das Angebot ist schon vom letzten Herbst –, das irgendwie unterschriftsfähig wäre.

[Zuruf von der CDU: Was haben Sie denn da gemacht beim letzten Mal?]

Die HTW hat nun das Ende bereits für das Wintersemester angekündigt. Eine Hochschule ist also schon raus.

Vizepräsident Dennis Buchner:
Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Förster von der CDU-Fraktion zulassen möchten?

Tobias Schulze (LINKE):

Aber bitte schön, aber nur, wenn die Uhr anhält.

Christopher Förster (CDU):

Herr Schulze ich frag für den Kollegen. Was haben Sie in den letzten 6 Jahren eigentlich gemacht, haben Sie regiert oder was erzählen Sie uns den heute? Sie hätten das alles längst umsetzen können. Erzählen Sie uns doch gerne was Sie gemacht haben und stellen Sie hier nicht irgendwelche hypothetischen Fragen.

Tobias Schulze (LINKE):

Wir haben das Semesterticket noch mal zur Vertragsreife gebracht, sonst gäbe es hier schon jetzt nichts mehr. Schon letzten Herbst war das Problem das gleiche.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Jetzt gibt es noch ein Semesterticket.
Jetzt sind Sie dran. Sorry, Sie wollten das so. Augen auf bei der Berufswahl. Seit Monaten weisen wir, weisen die Studierenden auf diese Fristen hin. Jetzt wird hier sehenden Auge das 20 Jahre laufende Berliner Semesterticket aufgegeben. Wir fordern den neuen Senat auf, den Studierendenschaften ein sofort unterschriftsfähiges Angebot zu unterbreiten.

[Beifall von Katina Schubert (LINKE)]

Das ist die einzige Chance, um das Semesterticket zu retten, und zwar eines, das zum geplanten 29-Euro-Ticket passt und preislich den Abstand nach unten dazu wahrt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Frau Dr. Schreiner und Frau Dr. Czyborra! Sie sind nun gerade erst im Amt und haben gleich das schöne Problem auf dem Tisch, aber es ist jetzt Ihr Problem. Ich kann Sie nur auffordern: Retten Sie dieses sozialökologische Modellprojekt und machen Sie sich Gedanken darüber, wie es in Zukunft damit weitergehen soll. Wie können zum Beispiel die Mittel des 49-Euro-Tickets für günstige Semestertickets in Berlin eingesetzt werden? Das ist eine große Frage. Wenn Sie es nicht schaffen, das Semesterticket noch für das Wintersemester zu retten, dann öffnen Sie das Sozialoder Azubi-Ticket für Studierende. Auch das ist eine Option, damit eine der einkommensschwächsten Gruppen der Stadt einen kostengünstigen ÖPNV hat.
Die Studierenden sind die Zukunft. Bisher haben sie den ÖPNV Berlins gestützt, auch in harten Zeiten, und sie haben den ÖPNV geliebt, ob sie nun knutschend nachts in der U2 saßen oder ob sie morgens um 2.00 Uhr verkatert in der S1 saßen – sie haben den ÖPNV geliebt. Sie einfach zu vergessen und nichts für sie zu tun und sie sozusagen dem normalen Preis- und Ticketangebot zu überlassen, das sollten wir nicht tun. Tun Sie noch etwas. Sie haben noch eine Woche. Reden Sie mit den Studierendenschaften. Bieten Sie Lösungen an. Jetzt ist schnelles Handeln gefragt. Wir fordern Sie mit unserem Antrag dazu auf und hoffen, dass Sie dem nachkommen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

 

ÖPNV Semesterticket Studierende

Mein Redebeitrag vom 23. 3. 2023 zum Antrag der Linksfraktion "Lehrkräftebildung an den Berliner Hochschulen stärken!"

Tobias Schulze (LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über 3 000 Lehrkräfte waren gestern am inzwischen elften Streiktag der GEW Berlin für einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz auf der Straße. Die Kolleginnen und Kollegen haben die Schnauze voll und das völlig zurecht.
Bei nur noch 96,6 Prozent liegt im laufenden Schuljahr die Personalausstattung an Berliner Schulen, wohlgemerkt im Durchschnitt 96,6 Prozent. Das bedeutet, wir haben auch Schulen, die deutlich unter diesen 96,6 Prozent liegen, insbesondere in den schnell wachsenden Ostbezirken und in sozialen Brennpunkten.
875 Vollzeitstellen konnten zu Beginn des letzten Jahres nicht besetzt werden. In der Praxis bedeutet das, Sprachförderung und Inklusion fallen weg zugunsten von Vertretungsunterricht. Und trotz der vielen Vertretungen fällt Unterricht aus. Die Klassen werden immer größer. Darunter leiden die Schülerinnen und Schüler, aber darunter leiden auch die Beschäftigten, von denen viele nach monatelangen 60-Stunden-Wochen schlicht und ergreifend krank werden. Die Krankenstände sind so hoch wie nie.
Das Berliner Schulsystem brennt lichterloh. Fast 60 Prozent der neu eingestellten Lehrerinnen und Lehrer haben keinen entsprechenden Abschluss, an den Grundschulen sind sogar 80 Prozent keine ausgebildeten Lehrkräfte. Ohne Selbstausbeutung und den massenhaften Quereinstieg würde unser Schulsystem augenblicklich zusammenbrechen.
Wir als Linke waren gestern beim Streiktag und haben den Lehrkräften zugehört. Das sollten alle hier im Haus einmal machen. Es hilft. Die Lehrerinnen und Lehrer streiken nämlich nicht für mehr Geld, sondern für bessere Arbeitsbedingungen und mehr ausgebildete Kolleginnen und Kollegen.
Aber warum trage ich Ihnen das als Wissenschaftspolitiker hier eigentlich vor? – Weil der zentrale Baustein zur Lösung dieses Problems in unserer Zuständigkeit im Land Berlin liegt. Die Hochschulen müssen endlich ausreichend Lehrkräfte ausbilden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Im Sondierungspapier von CDU und SPD können wir lesen – Zitat –:
Berlin wird deutlich mehr Lehrkräfte ausbilden als bisher, um den wachsenden Schülerzahlen gerecht zu werden.
Ganz ehrlich, das ist leider eine Nullaussage. Deutlich mehr als die faktischen 900 Absolventinnen und Absolventen sind schon in den jetzigen Hochschulverträgen vereinbart. Die entscheidende Frage an Sie von CDU und SPD lautet dagegen: Streben Sie an, ausreichend Lehrkräfte auszubilden, also so viele Lehrkräfte, dass der Bedarf der Berliner Schulen damit gedeckt werden kann? – Das ist die entscheidende Frage.
[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Tuba Bozkurt (GRÜNE) und Dr. Bahar Haghanipour (GRÜNE)]
Das wären nämlich ausweislich der Bedarfsanalyse der Bildungsverwaltung von Mai 2022, Rote Nummer 0353, mindestens 3 000 neue Lehrkräfte pro Jahr. Diese Prognose enthält noch nicht einmal die steigenden Bevölkerungsprognosen und die aus der Ukraine geflüchteten Kinder. Sie ist also eigentlich noch zu niedrig angesetzt.
Zudem gehen auch viele Absolventinnen und Absolventen unserer Universitäten in andere Bundesländer, zum Teil sind sie dahergekommen und gehen einfach wieder zurück. Diese Bundesländer bilden zu wenig aus. Das heißt, wir können das nur über einen bundesweiten Staatsvertrag ändern und nicht im Land Berlin.
Kurzum: Wenn Sie irgendwann einmal vor diese Welle kommen wollen, wenn Sie irgendwann einmal nicht zu Beginn des Schuljahres das Fehlen von Hunderten Lehrkräften beklagen wollen, müssen Sie jetzt mit den kommenden Hochschulverträgen, die bis 2028 laufen, die Weichen in Richtung 3 000 Absolventinnen und Absolventen pro Jahr stellen. Jetzt!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Tuba Bozkurt (GRÜNE), Dr. Bahar Haghanipour (GRÜNE) und Catrin Wahlen (GRÜNE)]

Wer nicht einmal den politischen Willen formuliert, bedarfsgerecht auszubilden, handelt verantwortungslos. Das muss man auch mal klar sagen.
Nun werden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD insbesondere, einwenden, dass es bei aktuell 900 Absolventinnen – die Tendenz ist leider fallend – egal sei, ob man 2 000 oder 3 000 Absolventinnen anstrebe. Aber ich sage Ihnen als Wissenschaftspolitiker: Das ist nicht egal.
Wenn die Unis bedarfsgerecht ausbilden müssen, weil wir sie dazu verpflichten, dann müssen sie intern die Prioritäten auch anders setzen. Dann müssen sie die Ressourcen intern umverteilen. Und dann müssen sie die Qualität des Studiums steigern, sonst werden sie es nicht schaffen.
Ich sage hier auch ganz klar: Vor der Kür kommt die Pflicht. Wenn immer mehr Drittmittelanträge und Exzellenzcluster die Kür sind, dann ist die bedarfsgerechte Ausbildung von Lehrkräften im Land Berlin die Pflicht.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Tuba Bozkurt (GRÜNE)]

Wir haben mit Rot-Rot-Grün noch 17 Millionen Euro für die Jahre 2023 bis 2025 zusätzlich zu den Hochschulverträgen gesichert. Die neue Koalition sollte diese Mittel fortführen und am besten noch was draufsatteln, auch Investitionsmittel.
Ich kann Ihnen das nur noch zum Schluss mitgeben: Wir bezahlen heute für die viel zu niedrig angesetzten Zielzahlen von vor zehn Jahren, und solch einen Fehler sollten wir den zukünftigen Generationen von Schülerinnen und Schülern nicht noch mal antun. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Hochschulverträge Lehrkräftebildung

Mein Redebeitrag zum Antrag von SPD, Bündnis 90/DieGrünen und Linke "Gesetz über die Förderung von Gesundheitsfachberufsausbildungen" - 1. Lesung

Tobias Schulze (LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass man Schulgeld bezahlen muss, um Logopädin, Ergotherapeut oder Physiotherapeutin zu werden, ist, ehrlich gesagt, in den heutigen Zeiten ein absurder Zustand. Wir haben einen Fachkräftemangel in diesen Bereichen, und dass man Tausende von Euro bezahlen muss, um einen Mangelberuf zu erlernen, ist etwas, was wir nicht mehr länger hinnehmen können; das wurde heute schon gesagt.
Wir stopfen dabei auch eine Gerechtigkeitslücke, etwa im Vergleich zu einer vergüteten Ausbildung oder aber einem kostenfreien Studium. Wir müssen diese Menschen, die im Maschinenraum unseres Pflegeund Gesundheitssystems arbeiten, endlich besserstellen.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Pressetribüne etwas voller ist. Ich glaube, hätten wir heute über den Zustand in unseren Krankenhäusern in der Aktuellen Stunde gesprochen, wäre sie sehr voll gewesen.

[Zuruf von Ronald Gläser (AfD)]

Wir reden jetzt über den Personalmangel und darüber, wie man ihn beheben kann. Ich wünsche mir die Aufmerksamkeit für die Menschen auch an dieser Stelle.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Bereits vor mehr als drei Jahren hat die Gesundheitsministerkonferenz den Bund aufgerufen, die Kostenfreiheit hinzubekommen. Man muss sagen, der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU hat gar nichts gemacht in diesem Bereich.

[Torsten Schneider (SPD): Aha!]

Es ist erst die neue Koalition jetzt, die wenigstens den politischen Willen ausgedrückt hat. Vom politischen Willen alleine kommt aber noch nichts, deswegen haben wir bis heute keine Umsetzung der Schulgeldfreiheit, und die Länder müssen einspringen. Das ist wirklich bitter.
Wir haben uns deswegen schon vor der Wahl als R2G entschieden, die Gebührenfreiheit umzusetzen. Wir haben das Geld in den Haushalt eingestellt. Wir hatten eine Demonstration von Schülerinnen und Schülern, die das auch von uns eingefordert haben, vor dem Abgeordnetenhaus, und wir haben damals alle gemeinsam die Zusage gegeben, dass das kommt.

[Florian Kluckert (FDP): Aber nichts gemacht!]

Allerdings fehlte sowohl der letzten als auch der jetzigen Gesundheitsverwaltung das Konzept für die Umsetzung. Wie kommt das Geld eigentlich in die Schulen? – war die Frage. Wir hatten einen Start zum 1. Januar 2022 versprochen; es hat jetzt eine Weile gedauert, wir mussten dann darüber reden, wie es rückwirkend geht. Mit diesem Gesetzentwurf sichern wir jetzt die versprochene rückwirkende Auszahlung ab dem 1. Januar 2022.
Wir hoffen natürlich, dass die Träger dieses Angebot der Politik auch annehmen. Es geht darum, die etwa 900 noch verbleibenden Schülerinnen und Schüler gebührenfrei zu stellen. Im Ergebnis sind es ungefähr 1 350 Azubis, denen wir die Gebühren erlassen; 7,5 Milliarden Euro für die beiden Jahre.

[Steffen Zillich (LINKE): Millionen! – Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Ich will abschließend sagen: Wir tragen unseren Teil zu einem Paradigmenwechsel bei, um alle Hürden abzubauen – das hat Kollegin Suka auch gesagt –, junge Menschen in diese Berufe zu bringen. Denn die Zeiten, in denen die Menschen mit ihrer intrinsischen Motivation ausgeglichen haben, was an schlechten Bedingungen und hohen Kosten existierte, sind definitiv vorbei.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Im Gegenteil: Es wird Zeit, die Menschen in der Pflege, in Gesundheitsberufen als das anzuerkennen, was sie sind, nämlich das eigentliche Kapital für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und die wichtigste Ressource. Die Bundesregierung rettet Banken oder Fluggesellschaften mit Milliarden, aber es wird Zeit zum Umdenken, denn die Gesundheit und die Menschen, die sie schaffen, sind das wichtigste Gut in der Gesellschaft. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour:
Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion spricht nun Kollege Kluckert.

Gesundheitsfachausbildung Pflege Pflegekräfte Schulgeld

Mein Redebeitrag in der 17. Sitzung des Abgeordnetenhauses zum Staatsvertrag Klinisch-epidemiologisches Krebsregister Brandenburg-Berlin.

Tobias Schulze (LINKE):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Krebs ist ein Arschloch“, sagt man manchmal, und auch in Berlin sterben immer noch viele Menschen an dieser Krankheit, die zweithäufigste Todesursache. Das haben jetzt schon ein paar Mal gehört, und ich glaube, jeder kennt Fälle aus seinem Umfeld, in denen Menschen in der Regel viel zu früh an Krebs verstorben sind, wo viel Leid verursacht worden ist. Dieses Krebsregister erfasst diese Fälle und erfasst das Versorgungsgeschehen und bildet damit die Grundlage für Forschung im Kampf gegen Krebs. Damit ist es eines der ersten Register, die so substanziell eine solche Krankheit erfassen und auch die Versorgung erfassen, und es ist eigentlich ein Vorbild für die Digitalisierung, Erforschung und Datenerhebung weiterer Krankheiten, die unsere Gesellschaft bedrohen.
Was neu ist an dem Krebsregister – das wurde schon erwähnt –, sind die epidemiologischen Daten, das heißt also, man bezieht Bevölkerungsdaten in die Krebsanalyse, in die Analyse des Krankheitsgeschehens mit ein, etwa den Wohnort oder das Geschlecht, und kann so Ursachen oder Risikofaktoren herausfinden.
Eine neuere britische Studie stellt fest, dass etwa die Hälfte der Krebsfälle vermeidbare Faktoren beinhaltet, sodass man sie also durch Verhaltensänderungen hätte vermeiden können, zum Beispiel durch das Beenden von Rauchen oder durch das Beenden von übermäßigem Alkoholkonsum oder falscher Ernährung oder Bewegungsmangel. Ich denke, wenn wir in Zukunft Krebs verhindern wollen, dann sollten wir solche vermeidbaren Fälle natürlich in den Fokus rücken.
Das heißt auch, dass man mit den Daten, die das Krebsregister erfasst, die Prävention verbessern kann, dass man also Menschen darauf einstellen kann, dass sie durch eigenes Verhalten Krebs vermeiden können. Auch dafür sind die neuen zusammengeführten Daten ganz entscheidend.
Die Pandemie hat uns eines gezeigt: Wir haben zu wenige Daten in unserem Gesundheitswesen. Wir brauchen eine deutlich verbesserte Digitalisierung und Auswertung von Daten im Gesundheitswesen. Das hat auch der Expertenrat der Bundesregierung empfohlen. Wir brauchen die schnelle Umsetzung des Sachverständigenratsgutachtens zur Digitalisierung im Gesundheitswesen, und wir können ja als Berlin vorangehen. Mit Gesundheitsstadt 2030 und der Zusammenführung von Charité und Vivantes und deren Versorgungsdaten haben wir einen unglaublichen Schatz an Versorgungsdaten, die für die Versorgungsforschung, für die Gesundheitsforschung ausgewertet werden können. Wir können hier große Datenbestände zusammenführen und für die Public-Health-Forschung nutzbar machen. Diese Chance sollten wir nutzen, selbst dann, wenn die Bundesregierung nicht aus dem Knick kommt mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Wir können hier vorangehen, mit fast der Hälfte der Krankenhausbetten haben wir hier ein unglaublich gutes Vorbild.
Beispiel Israel, kann man da nur sagen: Wir nutzen viele Daten aus dem Ausland. Es ist ehrlich gesagt peinlich, dass wir keine eigene Gesundheitsforschung an der Stelle ins Feld führen können, weil uns einfach die Verknüpfung von Gesundheitsdaten fehlt. Insofern ist das Krebsregister ein hervorragendes Vorbild, wie wir in Zukunft mit Versorgungsforschung, mit Public-Health-Forschung umgehen. Die sollten wir weiter ausweiten, sollten das weiter ausbauen, und da ist die Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg Vorreiter. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Präsident Dennis Buchner:
Letzter Redner in der Fraktionsrunde ist für die FDP-Fraktion Herr Kluckert.

Digitalisierung Gesundheitsforschung Krebs

Mein Redebeitrag in der 17. Sitzung des Abgeordnetenhauses. Antrag von SPD, Grünen und Linke "Open-Source-Strategie für Berlin"

Tobias Schulze (LINKE):
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Berlin ist bei der Digitalisierung der Verwaltung die weltweite Nummer eins

[Heiterkeit bei der CDU und der FDP]

– ich wollte den Satz erst mal wirken lassen –, und zwar unter den Metropolen und Hauptstädten dieser Welt. Das hat gerade die UN festgestellt in ihrem jährlichen E- Government-Index.

[Carsten Schatz (LINKE): Man glaubt es nicht! – Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Man glaubt es nicht. Ganz ehrlich, uns hat das auch selber überrascht, aber es zeigt nur, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung nicht immer dasselbe Bild übermitteln und dass man sich ab und zu mal auf die Selbstwahrnehmung abklopfen sollte. Dieses Ergebnis verweist aber auch darauf, dass alle Bereiche unseres öffentlichen Sektors und unserer Verwaltung bereits jetzt und noch mehr in Zukunft digital arbeiten werden, und damit ändert sich alles. Vorgänge, Akten, Entscheidungen und Gesetze und Verordnungen werden in Software übersetzt. Im Klartext: In der Software werden nicht nur die Akten und Vermerke gespeichert, sondern die Software übernimmt Verwaltungsaufgaben, und Algorithmen nehmen den Mitarbeitenden in Zukunft Entscheidungen ab. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Software einen offenen Quellcode braucht. Es liegt auf der Hand, dass die Verwaltung selbst jederzeit Zugriff auf die internen Mechanismen der Verwaltung haben muss. Bürgerinnen und Bürger, aber auch die aktive Zivilgesellschaft sollten Verwaltungssoftware überprüfen können.
Es käme auch niemand auf die Idee, beispielsweise ein Sozialamt samt Personal und Aktenschränken an einen privaten Dienstleister zu übertragen, ohne dass man reinsehen kann, was in dessen Gebäude so passiert. Eine moderne und transparente Verwaltung braucht offene Software. So einfach und so klar ist unser Grundsatz. Aber natürlich geht es dabei auch um die Sicherheit unserer Verwaltung. Unser Gemeinwesen darf sich nicht abhängig machen von den Geschäftsstrategien einzelner großer Unternehmen. Wenn etwa Microsoft mit seinen Office-Produkten in die Cloud geht, dann haben wir ein riesengroßes datenschutzrechtliches Problem.
Erst recht dann, wenn diese Softwareanbieter per Gesetz verpflichtet sind, Geheimdiensten und Militär Zugriff auf die Server zu gewähren, was der Fall ist. Aber klar ist auch: Eine Open-Source-Strategie geht nicht von allein. Sie erfordert ein Umdenken in unseren Verwaltungen. Man muss den Marketingstrategen von den großen Anbietern eine eigene öffentliche Kompetenz in IT-Fragen entgegensetzen. Hier zählen wir auch auf die Zusammenarbeit mit dem Bund und den anderen Bundesländern. Gerade im Bereich offener Software macht es Sinn zu standardisieren. Aber Berlin macht sich mit dieser Strategie jetzt auf den Weg, wie andere Bundesländer auch, Schleswig-Holstein beispielsweise, wie auch der Bund. Wir wollen Vorreiter sein beim Grundsatz „Public Money, Public Code“. Dazu ist ein strategischer Ansatz notwendig. Dazu dient dieser Antrag. Ich freue mich, wenn Sie diesen Weg mit uns mitgehen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:
Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Kraft jetzt das Wort.

Digitalisierung Open Source

Mein Redebeitrag in der 16. Sitzung des Abgeordnetenhauses. Zum Antrag „Cancel Culture“ an den Hochschulen konsequent entgegentreten.

Tobias Schulze (LINKE):

Wenn Herr Förster redet, braucht man hier ein bisschen.

[Heiterkeit von Carsten Schatz (LINKE) – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir haben hier ein Missverständnis vorliegen. Die AfD zettelt zum Thema Cancel Culture bundesweit einen Kulturkampf von rechts an und verkauft das als Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge; das muss man hier mal festhalten. Dieser Kulturkampf von rechts zielt darauf, dass rechte und rassistische, aber auch queerfeindliche Positionen hoffähig gemacht werden in unserer Wissenschaft, dass sie dort kritiklos stehen bleiben sollen und man das als wissenschaftlich verkauft, was keine wissenschaftliche Legitimation hat. Das sind Meinungen; das wurde hier schon gesagt. Bei vielen der inkriminierten Fälle, in denen vermeintlich von Cancel Culture die Rede ist, sind Professorinnen und Professoren – häufig sind es Habilitierte – davon betroffen, dass ihnen Kritik entgegenschlägt, und das wird dann als Cancel Culture gesehen. Aber man muss sagen: Diese Meinungen müssen immer Kritik erfahren, dafür ist die Wissenschaft da. Es geht darum, auch einen Wettstreit zu haben. Unwissenschaftliches muss auch an Hochschulen unwissenschaftlich genannt werden.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir wissen, dass es keine Wissenschaft ohne Werte gibt. Die Wissenschaft, gerade die deutsche, hat sich in der Vergangenheit an Verbrechen beteiligt, hat Dinge wissenschaftlich legitimiert, die nicht zu legitimieren waren. Das zeigt, dass wir immer den Diskurs über Werte in der Wissenschaft brauchen und es nicht sein kann, dass unter dem Deckmantel von Titeln und akademischen Karrieren menschenfeindliche Dinge verbreitet werden. Das gilt bis heute, und da müssen wir wachsam sein.
Es wurde schon gesagt: Das Berliner Hochschulgesetz sieht in § 5 die Wissenschaftsfreiheit eindeutig definiert, und es ist an allen Mitgliedern der Hochschulen, diesen § 5 mit Leben zu erfüllen. Dafür brauchen wir keinen Gesetzentwurf der AfD.
Wer sich einmal anschaut, was für Fälle so genannt werden, der muss sagen, dass die dramatischsten Fälle von Cancel Culture, wenn man es mal so nennen will, die AfD selbst auf den Weg gebracht hat. So hat sie einer Professorin, die sich unter anderem für People of Color einsetzt, in Sachsen-Anhalt nahegelegt, ihre Professur zurückzugeben. Daraufhin formierte sich ein Widerstand von 772 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die diese Professorin unterstützen. Oder sie, die AfD, hat geklagt gegen eine Studie, die das WZB in Thüringen über ihr Agieren im Thüringer Landtag erstellt hat, und wollte diese Studie zurückziehen lassen. – Das sind Fälle von Cancel Culture, wenn man überhaupt davon reden kann.
Ich glaube, wir sollten uns hier keine Illusionen darüber machen, wozu dieser Kulturkampf von rechts gedacht ist. Er ist dazu gedacht, Hegemonie zu erreichen, Dinge als regulär darzustellen, die nicht regulär sind. Diesem sollten wir alle immer und überall entgegentreten. Man kann nur die Hochschulen ermutigen, sich von dieser Kampagne nicht weichklopfen zu lassen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Tamara Lüdke (SPD)
und Lars Rauchfuß (SPD)]

Cancel Culture Hochschule Kulturkampf

Mein Redebeitrag in der 15. Sitzung des Abgeordnetenhauses. Antrag von SPD, Grünen und Linke "Open-Source-Strategie für Berlin"

Tobias Schulze (LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit des Monopolisten Microsoft ist, glaube ich, vorbei. Das gilt auch für die Verwaltungsstuben und Büros. Microsoft hat angekündigt, mit allen seinen Produkten in die Cloud zu gehen. Wir haben mit der amerikanischen Gesetzgebung des CLOUD Act und den entsprechenden Urteilen dazu die Situation, dass wir diese Produkte eigentlich nicht mehr datenschutzsicher einsetzen können, auch nicht in Verwaltungen. Das wurde hier schon gesagt. Die Zukunft ist aber offen. Das gilt auch für unsere Software. Wir haben uns mit diesem Antrag vorgenommen, eine Strategie zu entwerfen und zu erarbeiten, die umfassend auf Open Source setzt. Der Vorrang für Open-Source-Software muss bei jeder Beschaffung geprüft werden. Wir halten das für sinnvoll.
Ich will noch einmal erklären, warum das rational ist: Der Kollege Kraft von der CDU hat vorhin gesagt, das sei ein bisschen nice to have, aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass es bei all den Prozessen, die wir derzeit in der Verwaltung machen, essenziell ist, dass wir jetzt den Sprung von proprietärer auf offene Software wagen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich will drei Argumente dafür anführen. Das erste Argument ist das der Transparenz und der Demokratie. Wir überantworten mit einer digitalen Verwaltung die sensibelsten Daten unserer Bürgerinnen und Bürger den Softwaresystemen in unserer Verwaltung. Dazu kommen mögliche Anwendungen von künstlicher Intelligenz. Wir haben in Berlin solche Beispiele. Die DEGEWO sucht ihre Bewerberinnen und Bewerber für Wohnungen mit Algorithmen aus, und ich glaube, keiner von uns möchte, dass diese in Datensilos von privaten Unternehmen verschwinden, wo man überhaupt nicht weiß, nach welchen Kriterien, nach welchen Algorithmen etwa die Mieterinnen und Mieter bei öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften ausgesucht werden. Das gilt in Zukunft auch für Verwaltungsprozesse. Das muss man klar sagen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das zweite Argument, was dabei wichtig ist, ist die Frage von digitaler Sicherheit. All die großen Ausfälle und Angriffe, die wir in den vergangen Jahren hatten, hatten alle mit Schwachstellen bei proprietärer Software zu tun. Beispielsweise die TU hatte den Angriff auf ihre Active Directories auf den Windowsservern. Wir hatten die Emotet-Angriffe. All diese nutzen die Schwachstellen proprietärer Software aus und wissen ganz genau, dass es lange dauert, ehe so ein Softwareriese wie Microsoft diese Schwachstellen beseitigt, oder gar – was wir auch schon erlebt haben – die Schwachstellen offen lässt, um sie Geheimdiensten zur Verfügung zu stellen. Auch das haben wir schon erlebt.
Das dritte Argument ist das Argument der Souveränität.
Wir müssen als Verwaltung, als Staat, als demokratisches System unabhängig sein von den Geschäftsstrategien großer Unternehmen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, und es wurde ja auch schon gesagt.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir brauchen im Zweifel eine Auswahl. Die haben wir derzeit nicht, und weil das Argument vorhin schon kam: Die kommunalen IT-Dienstleister sagen ganz deutlich, dass sie das OZG mit offener Software besser umsetzen können als mit proprietärer. Das zeigt auch das Beispiel Dataport, und das zeigen auch kleinere IT-Dienstleister. Gerade wenn die verschiedenen Bundesländer sich gegenseitig unterstützen können, und das mit offener Software, über die sie selber die Hoheit haben, dann sind wir schneller und besser und nicht langsamer. Unsere Verwaltungsdigitalisierung krankt auch daran, dass wir zu viele proprietäre Produkte im System haben.

[Beifall von Katalin Gennburg (LINKE)]

Zu guter Letzt: Wir brechen das Ganze nicht übers Knie. Das muss man auch mal sagen. Es wurde schon von den gescheiterten Beispielen in München und auch im Bundestag gesprochen, und ich weiß aus eigener Erfahrung beispielsweise im Bundestag, dass da auch viel Lobbyarbeit im Spiel ist. Microsoft bezahlt große Agenturen dafür, auch ständig mit den Menschen in Verwaltungen zu sprechen – das machen auch andere IT-Konzerne – und sie davon zu überzeugen, dass ihr Produkt doch das beste ist. Da geht viel Geld hinein. Es geht darum, uns hier eine Strategie vorzunehmen, um die Vorteile zielgenau herauszuarbeiten, und es gerade nicht übers Knie zu brechen, dass wir bei jeder Beschaffung prüfen: Ist das Produkt, das wir derzeit einsetzen, konkurrenzfähig, taugt es etwas, oder ist das Open-Source-Produkt, das wir vielleicht selber entwickeln könnten oder das wir bei einem Nachbarbundesland besorgen könnten, vielleicht besser? – Das müssen wir uns genau angucken, und wir brauchen ein strategisches Vorgehen.
Klar ist auch, dass wir das Ganze mit den Beschäftigten in der Verwaltung entwickeln müssen. Die sitzen zum Schluss am Berlin-PC und bedienen diesen, und da kommt den Personalräten, die so oft gescholten werden, eine wichtige Bedeutung zu. Die haben extra die Expertise aufgebaut, um IT-Produkte prüfen zu können, und natürlich muss eine Open-Source-Strategie mit den Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung entwickelt werden. Dazu dient übrigens auch das Kompetenzteam Open Source beim ITDZ, das wir mit diesem Antrag schaffen wollen, damit dort auch die Expertise da ist, nicht nur einfach etwas am Markt zu kaufen, sondern zu überlegen: Was können wir vielleicht selber machen kann? Wo gibt es bundesweit gute Lösungen, und wo können wir flexibel unsere eigenen Produkte einsetzen?
Also ich denke, es ist ein super Schritt. Wir sind damit vielleicht mit Schleswig-Holstein zusammen Vorreiter in Deutschland. Die Bundesregierung hinkt hinterher, hat sich aber dasselbe Ziel vorgenommen. Und wenn wir hier zusammen etwas Gutes hinkriegen, dann können wir vielleicht in zehn Jahren sagen: Berlin ist offen, Berlin bleibt offen, und Berlin hat offene Software. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Digitalisierung ITDZ Microsoft Open Source Software Verwaltung

Mein Redebeitrag zum FDP-Antrag "Verfahrensverzeichnis für automatisierte Entscheidungsprozesse in der Verwaltung"

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:
Für die Linksfraktion hat der Kollege Schulze jetzt das Wort.

Tobias Schulze (LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es hier eigentlich heute bei diesem spannenden, nerdigen Tagessordnungspunkt? Die Stimmung kocht. Man sieht es schon.

[Sibylle Meister (FDP): Ja!]

Es geht tatsächlich darum, dass, wenn wir unsere Verwaltung digitalisieren, wir natürlich nicht die analogen Prozesse, die derzeit stattfinden, wo die Bearbeiterin und der Bearbeiter vor der Akte sitzt, hier und da ein Kreuzchen macht und was hinschreibt, in die digitale Welt übertragen, denn wie heißt es immer so schön? – Ein schlechter Prozess digitalisiert ist ein schlechter Prozess digital. Vielmehr werden diese Prozesse im Zuge eines Verfahrens, das sich Geschäftsprozessoptimierung nennt, auf ihre Effizienz angeguckt und in Teilen in automatisierte Prozesse überführt, sodass die Bearbeiterinnen und Bearbeiter, die dann vor den Rechnern sitzen, tatsächlich nur noch bestimmte Eckdaten eingeben und die Entscheidungen automatisch gefällt werden.
Das wiederum ist tatsächlich eine dramatische Veränderung im Verwaltungshandeln, die wir da erleben werden, die Sie schon von anderen Prozessen kennen, beispielsweise wenn Sie einen Versicherungsvertrag im Internet abschließen oder wenn Sie juristische Fachsoftware benutzen, wo auch juristische Entscheidungen schon automatisiert gefällt werden können. Diese Prozesse werden kommen. Ich bin übrigens auch der Einschätzung, dass der Antrag ein ganz kleines bisschen zu früh kommt. Wir sind tatsächlich noch nicht so weit, aber die Debatte ist richtig. Wir haben sehr unterschiedliche Qualitäten von Oppositionsanträgen. Das hier ist ein guter Antrag. Das will ich mal auf jeden Fall sagen. Er befördert die richtige Debatte.
Das Thema Folgeabschätzung von künstlicher Intelligenz wird uns tatsächlich beschäftigen. Wir müssen ja entscheiden, wo wir sie einsetzen wollen und wo nicht. Dafür brauchen wir ein Verzeichnis. Bürgerinnen und Bürger wollen wissen, wo kein Mensch mehr entscheidet, sondern eine Maschine. Dass Bürgerinnen und Bürger das einsehen können sollen, ist ein absolut sinnvolles Anliegen. Die Problemfälle wurden auch schon genannt, beispielsweise Polizeidatenbanken, aber auch Mieterinnen und Mieter, die wissen wollen, warum der andere, der in der Schlange neben mir stand, zur Wohnungsbesichtigung eingeladen wurde und ich nicht. Diese Fragen tauchen auf, wenn IT eingesetzt wird, um Entscheidungen zu treffen. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Ohne Transparenz wird das nicht möglich sein.
Eben wurde es schon angesprochen: Der Quellcode von Software ist natürlich die ganz entscheidende Instanz in so einer Frage. Wenn wir Verwaltungsentscheidungen durch Software treffen lassen, muss nachvollziehbar sein, was die Software genau tut. Das wiederum geht nur mit Open-Source-Software. Nur da kann man auch reingucken. Bei allen anderen Geschichten ist klar, dass der Hersteller nicht sagen wird, wie seine Software arbeitet, sondern das ist sein Geschäftsgeheimnis. Auch diese Fragen werden uns in dem Zuge beschäftigen. Deswegen wird Verwaltungssoftware in Zukunft vor allem Open Source stattfinden. Das hatten wir in der Debatte vorhin.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Tom Schreiber (SPD) und Werner Graf (GRÜNE)]

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, den ich auch schon mal vorhin in dem Zusammenhang angebracht habe: Wenn wir Entscheidungen digitalisieren, dann verändert sich die Rolle von Beschäftigten im öffentlichen Dienst fundamental. Meine Frau ist Mitarbeiterin im Jugendamt gewesen, als die dort die digitalen Fachverfahren bekommen haben. Da wurde erst mal ihre Berufsbezeichnung von Sozialpädagogin in Sachbearbeiterin heruntergestuft. Das fanden die Leute dort vor Ort im Jugendamt nicht lustig. Darüber müssen wir uns natürlich Gedanken machen. Wenn jemand zwanzig Jahre lang seine Papierakten hegt und pflegt, seine persönliche Anmerkungen darin hat, Entscheidungsspielräume auch in den Papierakten hatte und in dem Mangel, den wir doch an vielen Stellen im Land Berlin verwalten, Dinge zum Besseren wenden konnte, dann möchte der mitreden über die Frage, wie das, was er bisher auf Papier gemacht hat, in Zukunft digital stattfindet. Welche Spielräume hat er oder sie dann noch? Kann er oder sie dann noch dasselbe für die Klienten tun, die da vor ihm bzw. ihr sitzen, wie bisher, oder ist er oder sie nur noch dazu verdammt, drei Worte einzugeben, hier und da mal ein Häkchen zu machen, und der Computer spuckt zum Schluss die Entscheidung aus? – Damit werden wir keine anspruchsvollen Fachkräfte mehr gewinnen, sondern wir müssen denen schon klarmachen, dass ihnen die Digitalisierung hilft und nützt und sie nicht einschränkt und zu willenlosen Menschen macht, die nur Sachen auf dem Bildschirm anklicken.
Wie ist die Arbeitskultur in den Verwaltungen? Welche Rechte, Möglichkeiten und Aussichten haben die Beschäftigten dann, die vor den Rechnern sitzen und diese Geschäftsprozesse bearbeiten? – Diese Fragen müssen wir mitdiskutieren.
Der allerletzte Punkt – Herr Kollege Ziller hat es angesprochen –: die Landeskompetenz. Richtig ist: Das Internet hört nicht an den Grenzen von Berlin auf. Richtig ist aber auch: Wir haben natürlich diverse Geschäftsprozesse, die in Berlin entwickelt werden, die in Berlin umgesetzt werden und wo die Berlinerinnen und Berliner bei diesen Landesprozessen ein Recht darauf haben sollten, Transparenz darüber hergestellt zu bekommen, woraus die gebaut sind, wie sie gemacht sind, wie sie wirken und welche Risiken sie haben. Ja, klar, vieles ist europäisch, aber wir haben schon ein paar Landesdinge und auch in den Bezirken ein paar Dinge zu regeln. Insofern freue ich mich auf die Debatte, tatsächlich diesmal auf die Debatte im Ausschuss. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

IT Künstliche Intelligenz Open Source Prozesse Verwaltung

Mein Redebeitrag in der 14. Sitzung des Abgeordnetenhauses. Debatte über die Novelle des Hochschulrechts - 2. Lesung

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Schulze das Wort. – Bitte schön! – Wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, hätte der Kollege Schulze das Wort.

Tobias Schulze (LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Dass man nicht die FDP anruft, wenn man ein Gesetz in Berlin beeinflussen will, überrascht, glaube ich, ehrlich gesagt niemanden.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN –

Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Mich hat am Montag nach der Ausschusssitzung ein Wissenschaftler von der FU Berlin angerufen. Der hat gesagt: Was? Ihr habt gar keine Regelung für die jetzt bestehenden Postdoc-Verträge im Gesetz? Mir reicht es jetzt. Ich gehe ins Ausland. Ich bin mit dem deutschen Wissenschaftssystem durch. Ich bin auf der sechsten Kettenbefristung, und ich werde in die Niederlande gehen, weil ich dort sofort einen unbefristeten Vertrag bekomme. – Wir haben in diesem Gesetz den Hochschulen und den Universitäten ein Jahr Zeit gegeben, um die entsprechenden Personalstrukturen vorzubereiten. Das machen die Hochschulen. An den Hochschulen, an den Universitäten wird dieses Gesetz übrigens nicht annähernd so aufgeregt diskutiert wie von Ihnen hier. Die haben Arbeitsgruppen eingerichtet, um das umzusetzen, um die entsprechenden Personalstrukturen zu schaffen und die Stellen einzurichten, auf die die habilitierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingestellt werden, wenn sie die entsprechende unbefristete Arbeitsmöglichkeit bei uns bekommen.

Ich will noch einmal sagen, worum es hier eigentlich geht: In Berlin haben wir etwa fünf- bis sechsmal so viele wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie Professuren – fünf- bis sechsmal so viele. Die machen also die Hauptlast der wissenschaftlichen Arbeit in unserer Stadt. 90 Prozent dieser wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind befristet beschäftigt, in der Regel auf Kettenbefristungen – 90 Prozent. Der Weg eines jungen Wissenschaftlers, einer jungen Wissenschaftlerin, führt über die Promotion, ein Teil verabschiedet sich danach aus der Wissenschaft, geht in die Wirtschaft, geht in andere Bereiche. Ein Teil ist so gut, dass er weitergeht, sich habilitiert, eine Nachwuchsgruppenleitung antritt oder eine ähnliche Qualifikationsstufe macht. Der ist in der Regel schon Mitte/Ende 30 und seit 10 oder 15 Jahren im Wissenschaftsbetrieb. Er hat sich dort bewährt und hat dort das höchste Niveau an Ausbildung in der Wissenschaft erreicht. Diesen Leuten sagen wir, dass wir euch nicht mehr auf die Straße setzen wie bisher, sondern wenn ihr die Habilitation habt, wenn ihr eine ähnliche Qualifikation habt, dann sagen wir den Unis, ihr müsst diesen Menschen einen Anschlussvertrag bieten, weil das die Besten sind, die wir haben. Die lassen wir nicht gehen. – Das ist der Mechanismus des Gesetzes.

Da kann man auch nicht sagen: Die Universitäten müssen auch für die außeruniversitären Bereiche qualifizieren! – Nein! Wer 15 Jahre wissenschaftlich in der Universität gearbeitet hat, wer mehrere Qualifikationsstufen durchlaufen hat, Mitte 40 – wohin soll der denn hingehen? – Der ist für die Wissenschaft qualifiziert, aber wir haben derzeit ein System, das für diese Leute keine Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. Das macht uns übrigens im internationalen Vergleich sehr unattraktiv. Nach Deutschland kommt niemand aus dieser Kategorie, weil die hier keine Arbeitsmöglichkeiten finden, sondern wir berufen ältere Professorinnen und Professoren teuer aus dem Ausland zurück, die uns irgendwann einmal verlassen haben. Das ist absurd!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Ja, wir werden uns zu diesem Gesetz vor dem Verfassungsgericht sehen. Ehrlich gesagt, die bundesdeutsche Wissenschaftscommunity wartet darauf, dass geklärt wird, ob die Menschen unterhalb der Professur dauerhaft Wissenschaft betreiben können oder nicht und ob die Länder dafür die entsprechende Gesetzgebungskompetenz haben.

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Herr Kollege! Sie müssten zum Schluss kommen!

Tobias Schulze (LINKE):

Ich gehe davon aus, auch nach den Gutachten, die wir kennen, dass wir diesen Prozess gewinnen werden. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

 

Beschäftigungsverhältnisse Hochschulgesetz Wissenschaftliche Mitarbeiter

Mein Redebeitrag in der 13. Sitzung des Abgeordnetenhauses zum Antrag der FDP-Fraktion "Berliner Transparenzgesetz".

 

Tobias Schulze (LINKE):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Der geschätzte Kollege Dr. Efler hat in der vergangenen Legislaturperiode seine Rede zum Transparenzgesetz mit einem Zitat von Günter Wallraff eingeleitet:

... die Öffentlichkeit ist der Sauerstoff der Demokratie.

Ich finde, das ist ein sehr schönes Zitat, das sich zu wiederholen lohnt, denn wenn wir über Transparenzgesetze reden, ist das ein sehr trockenes Thema. Wenn wir aber darüber reden, dass Bürgerinnen und Bürger erfahren, was in ihrem Staat passiert, dann kriegt das ganze Brisanz und Lebendigkeit. Nicht zuletzt sind es die Verwaltungen selbst, die von Transparenz in ihren eigenen Häusern, in ihren Daten profitieren, die derzeit, sagen wir mal, schön in den Aktenschränken verschlossen sind und die wir da herausholen wollen, damit auch die Menschen in den Verwaltungen selbst Kenntnis darüber haben, was in den anderen Häusern, in den Bezirksämtern usw. an Daten schlummert.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Insofern ist Transparenz ein Grundwert an sich in einer Demokratie. Deswegen kann man die Ausweitung dieser Transparenzregeln auch nicht hoch genug einschätzen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Werner Graf (GRÜNE)]

R2G hat in der vergangenen Legislaturperiode – das wurde schon gesagt – im Koalitionsvertrag vereinbart, solch ein Transparenzgesetz zu machen. Wir waren vor den Wahlen auf der Zielgeraden und haben uns in der Tat an ein paar Fragen verhakt, wo wir nicht bis zum Schluss gekommen sind. Das wurde auch schon angedeutet, es ging vor allem um die Frage, welche Bereiche wir eigentlich aus der Informationsfreiheit ausnehmen, also welche Bereiche unserer Verwaltung nicht für Informationsfreiheitsanfragen zur Verfügung stehen sollen. Da hatte der Senat und hatten damals einzelne Verwaltungen ihre Bereiche ausnehmen lassen. Das Thema Schulen wurde schon angesprochen. Ich will aber auch mal sagen, was der AfD-Kollege hier gerade angebracht hat,

[Karsten Woldeit (AfD): War gut!]

war genau ein Beispiel für die Frage, warum es auch heikel sein kann, in bestimmten Bereichen in dieser Art und Weise Abfragen zu stellen. Wenn dann herauskommt, dass bestimmte Stadtteile, bestimmte Schulen oder bestimmte Bevölkerungsgruppen diskriminiert werden, ist das natürlich nicht im Sinne eines Transparenzgesetzes. Völlig klar!

[Ronald Gläser (AfD): Die falschen Wahrheiten wollen wir nicht hören!]

Deswegen müssen wir uns natürlich überlegen, wie Daten angelegt sind. Trotzdem sind wir als Linke – und ich denke, auch mit der ganzen Koalition – dabei, dass wir Bereiche wie Bildung und Wissenschaft nicht aus dem Transparenzanspruch ausnehmen können. Die gehören natürlich hinein. Auch Bereiche unserer Innenbehörden gehören natürlich hinein, soweit die innere Sicherheit davon nicht beeinträchtigt ist.

Wir haben es in den Koalitionsvertrag – das wurde erwähnt – geschrieben. Wir haben fast keine Jahreszahlen für bestimmte Vorhaben im Koalitionsvertrag stehen, aus gutem Grund, weil wir natürlich über die ganze Legislaturperiode hinweg planen.

[Lachen von Sebastian Czaja (FDP)]

Beim Transparenzgesetz steht aber eine Jahreszahl im Koalitionsvertrag, und zwar dieses Jahr, 2022. Das liegt daran, dass wir natürlich schon mit den genannten Vorlagen des Senats, aber auch der Vorlage der Initiative für ein Transparenzgesetz bereits zwei sehr gute und weit gehende Vorlagen haben, aus denen wir jetzt einen Parlamentsentwurf machen werden, der noch in diesem Jahr beschlossen werden soll. Dazu laufen die Vorarbeiten und Gespräche. Nur weil Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, nicht sehen, dass hier was passiert, heißt das nicht, dass nichts passiert. Wenn wir uns als Koalition zusammensetzen und die Details von Gesetzentwürfen besprechen, dann laden wir Sie, sorry, dazu nicht ein.

[Sebastian Czaja (FDP): Da sehen Sie mal, wie wichtig Transparenz ist!]

Tut uns sehr leid! Wird auch so bleiben! Sie laden uns ja auch nicht ein, wenn Sie Ihre Gesetzentwürfe besprechen. Trotzdem tauchen hier dann irgendwann im Plenum welche auf. Exakt genauso wird das mit dem Gesetzentwurf der Koalition auch sein.

[Beifall bei der LINKEN – Zurufe von Karsten Woldeit (AfD) und Sebastian Czaja (FDP)]

Wir haben uns vorgenommen, besser als Hamburg zu werden.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Und besser als Hamburg zu werden, heißt, dass wir unseren hohen Standard bei der Informationsfreiheit, also bei individuellen Anfragen, halten und bei der Transparenz noch besser werden als Hamburg, das heißt also bei den Daten, die proaktiv von den Verwaltungen ins Netz gestellt werden. Dazu brauchen wir, ehrlich gesagt, den FDP-Gesetzentwurf nicht unbedingt, zumal Sie den ja weitgehend von der Initiative übernommen haben, was sehr löblich ist. Wir arbeiten auch gerne mit außerparlamentarischen Initiativen zusammen. Aber Sie haben dabei auch noch Fehler gemacht. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum sie § 3, den Anwendungsbereich des Gesetzes, gestrichen haben. Den hatten Sie noch in Ihrem letzten Gesetzentwurf von 2019, jetzt ist der Anwendungsbereich raus. Den braucht man aber zwingend für die Rechtsförmlichkeit. Wir können uns Ihren Gesetzentwurf leider nicht überall zum Vorbild nehmen und müssen uns den noch mal angucken.

[Paul Fresdorf (FDP): Das kriegen Sie noch reingebaut!]

Interessant ist auch das Thema Gebührenfreiheit. Wir sind ja an vielen Stellen für Gebührenfreiheit, nur waren Sie immer weitestgehend dagegen. Warum Sie gerade jetzt für die Gebührenfreiheit sind, ist überraschend und spannend. Ich hoffe, Sie machen auch gute Gegenfinanzierungsvorschläge dafür.

[Sebastian Czaja (FDP): Sie sind dagegen?]

Das wird dann in den nächsten Haushaltsverhandlungen zu machen sein.

Allerletztes Wort von mir: Die Beauftragte für Datenschutz wird ja auch die Beauftragte für Informationsfreiheit werden. Ich wünsche mir, dass wir auch da an einem Strang ziehen, wenn wir diese Beauftragte gut ausstatten. Wir werden demnächst den Namen dazu präsentieren.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Und wir werden insbesondere den Bereich Informationsfreiheit stärken und hoffen dann natürlich auf Ihre Unterstützung. Und dann freue ich mich auf die Debatten über den Gesetzentwurf im Herbst. Wir werden da etwas Gutes bauen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

 

Das Protokoll findet ihr hier.

Mein Redebeitrag in der 12. Sitzung des Abgeordnetenhauses zum Antrag der CDU-Fraktion "Wenckebach-Krankenhaus als Gesundheitsstandort sichern".

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Schulze das Wort.

Tobias Schulze (LINKE):
Zwischen Ihnen und dem Sommerabend stehe jetzt nur noch ich.
Es wird nicht angenehm, weil was Herr Kluckert hier gerade gesagt hat, finde ich, ehrlich gesagt, wirklich schwierig für uns als Parlament, die wir auch für Vivantes als kommunales Krankenhausunternehmen verantwortlich sind. – Ich habe sieben Minuten! Ich wollte es Ihnen nur mal sagen: Ich habe sieben Minuten.

[Zurufe von der SPD: Nein! – Björn Matthias Jotzo (FDP): Drei! Zuruf von der FDP: Fünf!]

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:
Fünf! Wir ändern das.

[Heiterkeit – Beifall von Stefanie Fuchs (LINKE)]

Tobias Schulze (LINKE): Ach, Sie ändern das. Schade!

[Paul Fresdorf (FDP): Jetzt nur noch zwei!]

Also: Wenn Sie sagen, dass Investitionen in Vivantes Insolvenzverschleppung sind, dann muss ich mal sagen: Vivantes hat während der Pandemie in dieser Stadt die wichtigsten Aufgaben übernommen; die Aufgaben, vor denen sich viele private und auch freie Träger gedrückt haben. Da ist viel Rosinenpickerei passiert. Bei Vivantes nicht, weil Vivantes kann sich gar keine Rosinenpickerei leisten. Die müssen behandeln und haben das auch zusammen mit der Charité getan. Vivantes hat als öffentlicher Träger zusammen mit der Charité eine Partnerschaft beschlossen. Sie haben fast 40 Prozent der Betten, und sie sichern an dieser Stelle den Grundstock in der Versorgung.
Und es als Insolvenzverschleppung zu bezeichnen, hier zu investieren, anstatt das Wachstum, das wir bei Vivantes brauchen, in den Mittelpunkt zu rücken, das finde ich wirklich schwierig. Sie sollten sich mal die Arbeitsbedingungen bei freien oder privaten Häusern ansehen. Sie können gerne mal zu Helios nach Buch fahren und mal mit den Kolleginnen und Kollegen dort sprechen, oder Sie können mal bei Alexianer schauen. Das ist alles kein Stück besser. Der Unterschied ist, dass sich die Kolleginnen und Kollegen von Vivantes auf den Weg gemacht haben, um durch den Streik Dinge zu verbessern. Das ist der Unterschied, deswegen ist es in die Medien gekommen. Das würden sich die Beschäftigten bei den privaten Häusern gar nicht trauen.
Das Wenckebach-Klinikum ist ein Zeichen und ein Brennglas für die Entwicklung unseres Gesundheitswesens. Wir haben hier über 20 Jahre zu wenig investiert. Es ist ein sehr altes Haus – das wurde schon gesagt –, über 100 Jahre alt. Wir haben zu wenig investiert und stehen jetzt mit diesen alten Backsteingebäuden vor der Entscheidung, ob wir sie für viele 100 Millionen Euro wieder zu einem Krankenhaus umbauen, oder ob wir sie anderen Zwecken zuführen und die Krankenhausversorgung am AVK konzentrieren und dort die Betten aufbauen. Ich glaube, diese Entscheidung müssen wir als Haushaltsgesetzgeber sehr fundiert und mit der notwendigen Sorgfalt treffen, weil es sich nicht lohnt, ein altes Krankenhaus zu sanieren. Es wird dann noch kein modernes Krankenhaus; es ist immer noch ein altes Krankenhaus, das allerdings weiterfunktionieren könnte.
Was die Leute vor Ort brauchen, ist Versorgung im Notfall – das wurde hier schon ein paarmal gesagt –, und welches Modell dafür am besten funktioniert, ob es eine Notfallpraxis ist, die abends und am Wochenende geöffnet hat und möglicherweise Akutpatientinnen und -patienten auch ins AVK rübertransportieren lässt, oder ob es eine Portalpraxis ist – ich glaube, da sind verschiedene Abstufungen denkbar. Auch Pflege hat Vivantes dort vorgeschlagen. Ich werbe aber dafür, dass wir dieses Gelände mit den Gebäuden in öffentlicher Hand behalten und nicht abgeben. Eine Privatisierung steht uns, glaube ich, nicht ins Haus.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Die öffentlichen Flächen, die wir haben, um Gesundheitsversorgung zu machen, sind so knapp, dass wir uns an der Stelle keine Abgabe von öffentlichen Flächen in die private Hand leisten können und leisten wollen. Und noch etwas können wir uns nicht leisten: Wir haben in der Bundesrepublik – und auch dafür steht das AVK wie ein Brennglas – eine Debatte über Bettenabbau. Wir haben in Berlin nicht zu viele Krankenhausbetten – jeder, der selber mal Patient im Krankenhaus ist, weiß das –; was wir zu wenig haben, ist Personal für diese Betten. Wir sollten uns darauf konzentrieren, gut Arbeitsbedingungen zu schaffen und das entsprechende Personal in die Häuser zu holen, anstatt dem Abbau von Betten das Wort zu reden.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wir müssen das Wachstum bei Vivantes in die Gänge bringen. Wir müssen gerade auch als öffentliche Hand dafür sorgen, dass Vivantes auf den richtigen Pfad kommt, dass die Häuser vielleicht auch arbeitsteilig arbeiten und sich spezialisieren, und dass nicht mehr jedes Haus alles machen will, sondern dass die Stationen sich aufteilen und dass man den Patientinnen und Patienten die bestmögliche Versorgung dort gewährt, wo sie angeboten werden kann.
Wir brauchen Vivantes natürlich auch im ambulanten Bereich. Wer sich mal anschaut, was da passiert; wie Privatinvestoren, Finanzinvestoren derzeit Arztsitze aufkaufen, um MVZ mit Augen- und Hautärztinnen, mit Spezialisten zu gründen, weil es einfach ein einträgliches Geschäft ist, der weiß, dass wir dem auch einen Riegel vorschieben müssen – das können wir nicht im Land Berlin machen, das müssen wir auf Bundesebene machen –, weil es eine Konzentration von Arztsitzen in Bereichen ist, in denen wir gar keine brauchen. Wir haben die Unterversorgung im Osten Berlins und zum Teil in Reinickendorf und Spandau. Dort müssen Arztsitze hin. Wir brauchen nicht die Konzentration in wenigen gewinnträchtigen privaten MVZ. Die Frage, wie man Arztversorgung in die unterversorgten Bereiche bekommt, müssen wir mit der KV Berlin und mit Vivantes zusammen beantworten. Mir ist es dreimal lieber, dass Vivantes ein solches Versorgungszentrum betreibt, das dann auch in Marzahn-Hellersdorf, in Hohenschönhausen oder vielleicht in Treptow-Köpenick steht, und dort endlich die Versorgung hinkommt, als dass wir eine weitere Konzentration haben.
Insofern: Ich sehe Vivantes da vor großen Herausforderungen. Wir werden als Land Vivantes auch weiter unterstützen. Wir werden die Entscheidung, die vor dem Hintergrund der Bedarfsanalyse in Tempelhof-Schöneberg zum Umbau des Wenckebach-Klinikums ansteht, die Vivantes dort gemeinsam mit dem Aufsichtsrat treffen muss, unterstützen. Ich bin dafür, das mit den Bürgerinnen und Bürgern sehr frühzeitig und richtig zu diskutieren und mehr Transparenz in den Prozess reinzubringen, denn sie müssen mitentscheiden bei dem, was dort vor Ort passiert, und sie sollten sagen, was sie dort wollen. Aber richtig ist: Wir müssen auch sehen, dass wir unsere vielen 100 Millionen Euro Krankenhausinvestitionen an die richtigen Stellen bringen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Bettina König (SPD)]

 

Dann gab es noch eine Kurzintervention des Kollegen Kluckert, die ich euch nicht vorenthalten möchte.

Mein Redebeitrag in der 12. Sitzung des Abgeordnetenhauses zum Antrag von SPD, Grünen und Linke "Bundesratsinitiative für eine angemessene Vergütung von Pflegestudierenden".

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Schulze jetzt das Wort.

Tobias Schulze (LINKE):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Interesse an dem Thema in diesem Haus ist nicht überwältigend. Ich glaube aber, der Bedeutung dieses Themas ist es trotzdem angemessen, dass wir uns an prioritärer Stelle darum kümmern.

[Beifall bei der LINKEN und der FDP]

Was der Klimawandel für unsere äußere Umwelt ist, ist der Pflegenotstand für unser soziales Gefüge. Vielen ist noch gar nicht klar, was in den kommenden Jahren an Herausforderung in diesem Bereich auf uns zukommt. Das betrifft sowohl den Bereich von Krankenpflege, es betrifft den Bereich von Altenpflege, und es betrifft auch den Bereich von Pflege behinderter Menschen.

Nun kann man sich fragen, warum Pflegekräfte eigentlich studieren sollen – man könnte es auch bei der Ausbildung belassen, die es bisher schon gibt, die vergütet ist –, und viele tun das auch. Wir haben es mit deutlich steigenden Anforderungen an die Pflegekräfte zu tun; das haben die Kolleginnen und Kollegen vor mir schon ausgeführt. Es geht um schwere Krankheiten, es geht um Sterbebegleitung, es geht auch darum, die Einsamkeit von zu pflegenden Menschen zu verringern, es geht um interkulturelle Herausforderungen in der Pflege, die in unserer heterogener werdenden Gesellschaft steigen. Es geht auch darum, große Strukturen, große Träger, mit Leitungs- und Führungspersonal auszustatten. Nicht zuletzt ist das Studium einer Pflegekraft auch die Möglichkeit, besser über dem Job zu stehen und die Herausforderung besser zu bewältigen. Ich sage: besser studierte Pflegekräfte als Burn-out, besser Akademisierung als die endgültige Erschöpfung.

[Beifall von Aferdita Suka (GRÜNE)]

Vielleicht noch einen Satz zum internationalen Vergleich: Wir sind in Deutschland, was den Ausbildungsstand und die Kompetenzen von Pflegekräften angeht, ein Entwicklungsland. In anderen Ländern dürfen Pflegekräfte oder Nurses, wie sie oft genannt werden, viel mehr als hier. Wer von uns beim Impfen war, weiß, dass erst ein Arzt oder eine Ärztin auftauchen musste, um einem die Spritze in den Arm zu hämmern. Das ist in anderen Ländern anders. Dort dürfen Pflegekräfte – Krankenschwestern, Krankenpfleger – das, weil die Kompetenzen für gut und akademisch ausgebildetes Pflegepersonal im Vergleich zu Deutschland deutlich erweitert sind. Uns wurde schon gesagt, dass es nur hier so sei, dass Pflegekräfte weisungsgebunden an die Anweisung der Ärzte und Ärztinnen sind. Sie dürfen eigentlich gar nicht eigenständig handeln – auch das ist rückständig, auch das müssen wir verändern.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Aber was haben wir gemacht? – Wir haben die akademische Pflegeausbildung auf den Weg gebracht und pressen die akademischen Teile und die praktischen Arbeitsanteile in einen Wochenalltag von 50 bis 70 Stunden, davon etwa die Hälfte der praktischen Anteile im Schichtdienst. Das hält niemand lange durch; die jungen Menschen brechen reihenweise das Studium ab. Das kann ihnen auch keiner verdenken, denn als Alternative steht immer noch die normale Ausbildung, die deutlich weniger kompakt gestaltet ist und wo eine Vergütung hinzukommt, zur Verfügung.

Bei den Pflegestudierenden entfällt die Vergütung komplett und das bei diesem unglaublichen zeitlichen Aufwand, der kaum durchzuhalten ist und erst recht dann nicht, wenn man einen Job braucht, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und seine Miete bezahlen zu können. Da wundert es auch nicht, dass bis zu 80 Prozent abbrechen. Man muss sagen, in diesen Zeiten können wir uns solche Abbruchzahlen nicht leisten. Wir brauchen diese Menschen.

[Beifall bei der LINKEN]

Was hat das mit der Vergütung zu tun? – Die Ampel hat im Koalitionsvertrag, wie schon erwähnt wurde, gesagt, dass sie die rechtlichen Lücken schließt. Sie will analog zu den Regelungen bei den Hebammen auch eine Vergütung für Pflegestudierende einführen. Gerade wurde gefragt, warum wir diesen Antrag mit der Bundesratsinitiative machen, wenn es schon im Koalitionsvertrag der Ampelregierung steht: weil der Koalitionsvertrag der Ampel sehr geduldig ist. Wir sind es aber nicht, und die Pflegestudierenden sind es auch nicht.

Vielleicht schaffen es die Kolleginnen und Kollegen der FDP, aber auch die der SPD und die von Bündnis 90/Die Grünen, auch hinter den Kulissen ein bisschen Druck reinzubringen und auf ihre Parteikolleginnen und -kollegen in der Bundeskoalition einzuwirken. Ich glaube aber, wenn die Länder deutlich machen, dass sie schnell eine Regelung erwarten, dass wir es uns im Pflegestudium nicht leisten können, weitere Menschen zu verlieren, dass es schnell gehen muss – noch in diesem Jahr –, dann bekommen wir vielleicht zusammen etwas hin. Ich wünsche es uns allen. Wir brauchen diese Pflegekräfte, wir brauchen besser ausgebildete Pflegekräfte und Pflegekräfte, denen es so gut im Job geht, die so drüber stehen, dass sie bleiben. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

 

Das Protokoll findet ihr hier.

Mein Redebeitrag in der 9. Sitzung des Abgeordnetenhauses zu „Cancel Culture“ an den Hochschulen konsequent entgegentreten: Gesetz zur Stärkung von Wissenschaftsfreiheit und Debattenkultur an Berliner Hochschulen.

Tobias Schulze (LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Cancel Culture in der deutschen Hochschulpolitik, ganz eindeutig; so beantragte etwa die rechtsradikale AfD-Bundestagsfraktion wie auch die AfD-Fraktion hier im Hause in den Haushaltsverhandlungen das Ende der Ge- schlechterforschung.

[Harald Laatsch (AfD): Bravo!]

Als Begründung für diesen tiefen Eingriff in die Freiheit von Wissenschaft und Forschung wurde angeführt, es handele sich bei dem Forschungsgebiet um Ideologie, die der Wissenschaft vom Staat aufoktroyiert werde.

[Karsten Woldeit (AfD): Richtig!]

– Sie bestätigen das hier ja auch noch. – Die AfD war dann auch sehr enttäuscht, als sie lernen musste, dass die Geschlechterforschung gar nicht vom Staat gefördert wird, sondern dass sie sich aus der Mitte der wissenschaftlichen Community heraus an den Hochschulen selbst entwickelt hat.

[Lachen bei der AfD – Ronald Gläser (AfD): Nein!]

Dieses Forschungsgebiet, das etwa in der Medizin- und Gesundheitsforschung die jahrhundertelange Fokussierung auf den männlichen Körper überwinden hilft, wollen Sie nun von staatlicher Seite auch noch einstellen. Ganz deutlich: Das ist Cancel Culture.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das sind Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit, die Sie vermeintlich bekämpfen. Ich sage auch, mehr Heuchelei geht eigentlich kaum.

Präsident Dennis Buchner:

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Vallendar von der AfD zulassen?

Tobias Schulze (LINKE):

Nein, danke schön! – Diesen Kulturkampf, den die Rechtsradikalen gemeinsam mit dem rechten Feuilleton der Wissenschaft vorwerfen, den betreiben Sie nämlich selbst. Es ist Ihr Kampf gegen die Modernisierung unserer Geschlechterbilder. Niemand redet so viel über Gender wie die AfD. Knapp 60 Prozent der Facebookposts von Abgeordneten zum Thema Gender kamen von wem? Wer wird es erraten? – Der AfD! Es ist Ihr Genderwahn gegen die Modernisierung unserer Gesellschaft, den Sie der Gesellschaft, der Wissenschaft, der Forschung hier überstülpen wollen.
Ihr Verhältnis zur Wissenschaftsfreiheit wird auch noch einmal besonders deutlich, wenn der AfD- Landtagsabgeordnete Tillschneider aus Sachsen-Anhalt die Entlassung der Magdeburger Professorin Auma forderte.

[Karsten Woldeit (AfD): Ich dachte, er spricht gerade!]

Deren Vergehen war: Sie hatte einen strukturellen Ras- sismus an deutschen Hochschulen kritisiert und sollte dafür gehen. – Das ist der Eingriff in die Wissenschafts- freiheit, den Sie hier ständig kritisieren. Sie wollen keine Genderforschung, Sie wollen keine Klimaforschung, Sie wollen die islamische Theologie abschaffen, und Sie wollen Diversitätsforscherinnen entlassen. Entschuldi- gung, von Ihnen muss man sich überhaupt nichts über Wissenschaftsfreiheit erzählen lassen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN –
Beifall von Dr. Maren Jasper-Winter (FDP)]

Aber schauen wir uns die Beispiele, die so für die vermeintliche Cancel Culture ins Feld geführt werden, einmal an. So werfen Studierende dem Münsteraner Medizinprofessor Paul Cullen vor, dass er sich mit kruden Thesen gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch engagiert, in Videos über von der Soros-Stiftung dominierte Feldverschwörungen schwadroniert oder Virologen als „Taliban“ bezeichnet. Die Studierenden fordern eine Untersuchung des Wirkens dieses Professors.
Oder der Leipziger Mathematiker Stephan Luckhaus: Er bezeichnete Coronaimpfungen für unter 60-Jährige als Realsatire und Coronaimpfungen für Kinder als Verbrechen gegen den hippokratischen Eid.

[Beifall von Harald Laatsch (AfD)]

– Klatschen Sie ruhig! – Als die Akademie Leopoldina ein Papier von ihm nicht veröffentlichen wollte, trat er selbst im Streit aus. Seitdem lässt er sich von verschwörungstheoretischen Netzwerken als aufrechter Kämpfer gegen die Coronapolitik interviewen.
Oder auch ein dritter Fall: Der bis dahin kaum forschungsaktive Wirtschaftspsychologe Bruno Klauk von der Hochschule Harz will den Intelligenzquotienten von 500 Geflüchteten untersucht und festgestellt haben, dass dieser unterdurchschnittlich sei. So lasse sich das deutsche Fachkräfteproblem – Zitat – „nicht lösen“. Das war seine Aussage. In der Folge danach gab es eine rege Debatte in der Gesellschaft für Wirtschaftspsychologie und weitreichende Kritik aus seiner Disziplin an der Methodik dieser Studie. Vier von fünf Herausgebern der Zeitschrift für Wirtschaftspsychologie traten aus Protest gegen dieses Machwerk zurück. Klauk hingegen ist immer noch Professor und postet in den sozialen Netzwerken Erklärungen zum großen Reset einer Verschwörungstheorie aus dem rechtsextremen Spektrum.
Diese Beispiele zeigen, Cancel Culture ist für Sie, für die AfD, ein Kampfbegriff, um das Ihnen nahestehende politische Spektrum innerhalb der Professorenschaft vor Kritik zu schützen. Wir hingegen sagen, wer unwissenschaftlich arbeitet oder ethische Normen von Wissenschaft verletzt, muss sich immer Kritik, insbesondere aus der Wissenschaft selbst stellen. Das verstehen wir unter Wissenschaftsfreiheit. Insofern lehnen wir den Antrag selbstverständlich ab. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN –
Beifall von Stefan Förster (FDP) und Dr. Maren Jasper-Winter (FDP)]

 

Tobias Schulze (LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte, ehrlich gesagt, erwartet, dass die FDP sich heute mal im Landesparlament entschuldigt,

[Heiterkeit bei der FDP –
Paul Fresdorf (FDP): Wofür denn?]

nach dem Gesetz, das Sie uns auf Bundesebene beschert haben – ein nicht nur von der Intention her falsches Gesetz, sondern auch noch ein unglaublich schlecht gemachtes Gesetz.

[Holger Krestel (FDP): Ich dachte, Herr Hansel wäre nicht zu toppen!]

Dieses Gesetz hinterlässt uns nämlich zwei Kriterien, nach denen die Bundesländer eine Hotspotlage ausrufen können. Das eine ist die Frage der drohenden Überlastung des Gesundheitswesens. Ich weiß nicht, ob Sie erklären können, wann dieses Kriterium genau eintritt; vermutlich nicht. Was ist denn eine drohende Überlastung des Gesundheitswesens? Ist das, wenn die Intensivbetten schon voll sind, oder ist die drohende Überlastung des Gesundheitswesens schon, wenn wir, wie jetzt, so viele zu isolierende Patienten haben, dass die Krankenhäuser an ihre Grenze kommen? Was ist denn eine drohende Überlas- tung des Gesundheitswesens?

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jotzo?

Tobias Schulze (LINKE): Bitte schön!

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Bitte schön!

Björn Matthias Jotzo (FDP):

Herr Kollege! Gehen Sie denn nicht konform, dass, wenn eine Überlastung droht, sie logischerweise noch nicht eingetreten ist? Es wäre also ein Zeitraum davor, vor einer Überlastung. Man muss eine Abschätzung auf einer validen Datengrundlage treffen, ob eine Überlastung des Gesundheitssystems droht. Augenscheinlich tut sie es derzeit nicht, oder sind Sie da anderer Auffassung?

Tobias Schulze (LINKE):

Sie können ja mal die Kollegen und Kolleginnen aus den Krankenhäusern fragen, ob die droht. Nach deren Ein- schätzung droht die, weil die Zahlen auf den Normalstationen mit zu isolierenden Patienten und Patientinnen ext- rem hoch sind, so hoch wie noch nie. Können wir jetzt gerichtssicher einen Hotspot ausrufen oder nicht? Das frage ich Sie. Das wissen Sie auch nicht.

Das zweite Kriterium, das wir haben, ist das Kriterium einer neuen Virusvariante, die eine höhere Pathogenität aufweist, das heißt, eine höhere Krankheitslast, und schnell steigende Zahlen. Haben wir die jetzt gerade? Haben die andere Bundesländer gerade? Wissen Sie das? Das werden zum Schluss Gerichte entscheiden, und Gesetze, bei denen Gerichte über die Auslegung entscheiden, sind schlechte Gesetze.

[Paul Fresdorf (FDP): Machen sie eigentlich ganz gern!]

Das muss man so sagen. Sie haben die Länder mit diesem Gesetz in eine unmögliche Lage gebracht. Da wird jetzt viel hin und her experimentiert und geprüft werden, und zum Schluss werden Gerichte entscheiden, wie das Gesetz auszulegen ist.

Sie wollten heute eigentlich in der Aktuellen Stunde den Freedom Day ausrufen. Gott sei Dank haben Sie uns die Peinlichkeit erspart. Alle Freedom Days, die wir in Europa hatten, ob es in Großbritannien war, in Dänemark oder Österreich, sind alle von sehr kurzer Dauer gewesen. In Österreich haben sie gerade die FFP2-Maskenpflicht wieder eingeführt.

[Marc Vallendar (AfD): Österreich hatte nie einen Freedom Day!]

Mit Ihrem Antrag tun Sie uns keinen Gefallen, denn, das haben die Kolleginnen schon erklärt, wir wissen, wie viele Leute geimpft sind, und wir wissen auch, wie viele Leute genesen sind, und es gibt zwischen diesen beiden Gruppen von Menschen Schnittmengen. Wir haben auch Geimpfte, die genesen sind, und wir kennen den Immunstatus deswegen gar nicht so schlecht. Ich würde Ihnen recht geben, wir könnten mehr Daten haben, aber das hilft uns bei der Entscheidung über Politik nicht. Die müssen wir nämlich zum Schluss treffen. Deutschland hat es vier Mal probiert, die Maßnahmen so lange auszusetzen, bis es nicht mehr anders ging, und wir sind jedes Mal damit auf die Nase gefallen. Das hat uns nicht geholfen. In der Presse wird schon davor gewarnt, dass wir mit Vollgas in die sechste Welle laufen.

[Zuruf von Thorsten Weiß (AfD)]

So sieht es derzeit aus. Ich kann nur hoffen, dass wir in Berlin mittlerweile darüber hinweg sind, weil wir mit die Ersten waren, die Omikron zu erleiden hatten. Ich kann nur hoffen, dass wir mit dieser Rechtsunsicherheit irgendwie in den Sommer reinkommen und ein so niedriges Niveau erreichen, dass wir nicht wie im letzten Sommer schon im Oktober wieder von einem relativ hohen Niveau in die neuen Wellen starten.

Ich sage mal, was es auch auslöst, wenn Sie uns hier die neue Freiheit versprechen und mit Ihrem Gesetz zum Beispiel keine Maskenpflicht an Schulen mehr ermöglichen: Das heißt zum Beispiel, dass Kinder, die eine Maske aufsetzen müssen und aufsetzen wollen, weil sie selbst erkrankt sind, weil sie ihre Großeltern schützen wollen oder Ähnliches, in der Schule stehen und sich vor den anderen Kindern rechtfertigen müssen, die keine Maske aufhaben, warum sie das jetzt machen.

[Ronald Gläser (AfD): Jetzt müssen
sich die ohne rechtfertigen! –
Thorsten Weiß (AfD): Das ist das größte Problem!]

Das ist das, was Sie wollen: Auseinandersetzungen in den Klassen darüber, wer eine Maske trägt und wer nicht. Sie verlagern diese Debatte auf die Kinder. Das finde ich extrem unredlich.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Ähnlich ist es mit der Quarantäne. Die Frage, wer in Zukunft in Quarantäne gehen kann und wer nicht, ist jetzt schon höchst umstritten und höchst problematisch, und die Kinder fragen sich aus den Schulen heraus: Was, wenn mein Banknachbar jetzt coronapositiv ist? Die müssen ja nicht mehr in Quarantäne. Sie gehen einfach weiter in die Schule. Wenn die Eltern coronapositiv sind, dann gehen die einfach weiter in die Schule, und das ist für Kinder eine extreme Belastung, und das war das, was Sie wollten. Das kann ich nicht verstehen.

[Ronald Gläser (AfD): Die Maske ist eine Belastung! – Weitere Zurufe von der AfD]

Das ist das Recht des Stärkeren, was Sie mit Ihrem Infektionsschutzgesetz in die sozialen Systeme tragen, und das halten wir für ein extremes Problem. Ich würde mir wünschen, dass wir zu einer Resilienz kommen, die auch bedeutet, dass wir das Geschehen, das wir in den nächsten Wochen und Monaten und auch im nächsten Herbst haben werden, in unsere politischen Entscheidungen und Debatten einbeziehen und nicht schon wieder, zum vierten Mal, so tun, als wäre es jetzt vorbei. Es wird nicht vorbei sein, sondern wir werden möglicherweise neue Varianten bekommen, und wir müssen in verschiedenen Varianten denken. Die müssen wir abschätzen, die müs- sen wir vorausplanen und für die müssen wir Maßnahmen planen. Sie haben gerade mit Ihrer ideologisch getriebe- nen Rhetorik das Gegenteil erreicht. Das ist bitter. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Im folgenden mein Redebeitrag in der 6. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses zur "Vierten Verordnung zur Änderung der Vierten SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung" des Senats

Tobias Schulze (LINKE): 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Meister, Sie hatten das vorhin gesagt mit den Kollegen im Einzelhandel. Ich muss mich entschuldigen und danke, dass Herr Fresdorf nachgefragt hat. Es ist sehr gut, dass Sie darauf hingewiesen haben. 

[Sibylle Meister (FDP): Kein Problem! – Stefan Förster (FDP): Es war Herr Krestel!] 

– Stimmt! Alles irgendwie mit „e“. Okay! – Dänemark hat einen Freedom Day ausgerufen und alle Maßnahmen der Coronainfektionsschutzbekämpfung abgesagt. Dänemark hat das auch schon im September letzten Jahres getan. Als dann Omikron kam, mussten sie all die Maßnahmen, die sie gerade mit großem Pomp ausgesetzt haben, wieder einführen. 

Der Unterschied von Dänemark und Deutschland ist, wie es ein Forscher neulich mal formulierte, dass Deutschland noch ewig lang über die Vergangenheit redet, was alles falsch gelaufen ist, während Dänemark und die Däninnen und Dänen einfach die Maßnahme mittragen, sich impfen lassen, die Masken tragen und auch diese nächste Omikronwelle durchgestanden haben. In Deutschland diskutieren wir in härtesten Verkrustungen seit Monaten und Jahren mittlerweile das Für und Wider von Infektionsschutzmaßnahmen. Das ist absurd, und deshalb haben wir keinen Freedom Day. 

Das Virus passt sich leider nicht an Wahlen oder Politik oder den Zickzackkurs vom bayerischen Ministerpräsidenten an, sondern das Virus macht das, was das Virus macht, und verbreitet sich. Die Pandemie ist eben gerade nicht vorbei in Deutschland, sondern ist auf einem weiteren Höhepunkt mit den Infektionszahlen. Wir haben heute 250 000 Neuinfektionen in Deutschland. 

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)] 

Wir haben in Berlin eine Verdopplung der Hospitalisierung auf den Normalstationen, alle 30 Tage etwa. Wir haben Krankenhäuser, die massiv unter Druck sind. Mit etwas Glück, das können wir nicht so genau sagen, sind wir am Scheitelpunkt der Omikronwelle in Berlin. Da die Gesundheitsämter alle im Meldeverzug sind und viele Infektionen, gerade die mit Symptomen, gar nicht mehr PCR-getestet werden, sondern die Leute bleiben einfach zu Hause, wissen wir nicht, wo wir gerade stehen. 

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)] 

Es gibt Menschen, die natürlich in Deutschland den Freedom Day gut gebrauchen könnten und befürworten. Es gibt aber auch viele Menschen, die das gerade nicht gebrauchen können. Über die sollten wir hier auch mal sprechen. Wir haben Menschen in der kritischen Infrastruktur. Ich weiß nicht, wer von Ihnen mal die Zahlen bei der Polizei verfolgt oder in den Schulen oder bei der Feuerwehr, wo wir derzeit sehr, sehr hohe Krankenstände haben, auch bei der BVG und bei der S-Bahn. Das, was so als milder Verlauf gilt, kann unter Umständen drei Wochen Krankheit mit hohem Fieber und Langzeitfolgen bedeuten. 

Wir haben in den Krankenhäusern und in den Pflegeheimen eine extrem hohe Belastung des Personals nach wie vor, wo wir das Problem haben, dass wir uns die Pflegekräfte nicht backen können, sondern mit denen sehr pfleglich umgehen müssen, die wir haben, denn wenn sie den Job verlassen, haben wir alle gemeinsam ein riesiges Problem. 

[Frank-Christian Hansel (AfD): Aber nicht, weil sie krank sind, sondern weil sie in Isolation sind!] 

Wir haben nach wie vor sehr viele gefährdete und vulnerable Personen in der Gesellschaft. Das betrifft Immunsupprimierte, das betrifft Ältere, die nicht geimpft sind, leider viel zu viele, und das betrifft natürlich auch Kinder, gerade die kleineren Kinder, die nicht geimpft sind. Wenn die Gesundheitssenatorin sagt, dass sei keine vulnerablere Gruppe, dann meinte sie das in der Frage, wie die Krankheitsverläufe sind. Aber trotzdem sind sie natürlich eine Gruppe, die das Virus aus der Kindereinrichtung nach Hause trägt und an ihre Geschwister, Eltern, die Großeltern oder andere weiterträgt. 

[Frank-Christian Hansel (AfD): Genauso die Geimpften!] 

Insofern haben wir viele Menschen, die sich schützen müssen. Eine Gruppe, bzw. mehrere Gruppen, fallen immer wieder durch das Raster, und das sind Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben. Das betrifft also Obdach- und Wohnungslose, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, und das betrifft auch Geflüchtete, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, die überhaupt nicht die Möglichkeit haben, sich in der Form zu isolieren, in Quarantäne zu gehen und sich vor dem Virus zu schützen. Ich würde mir wünschen, anstatt ständig über die Spaltung von Ungeimpften und Geimpften zu sprechen, dass wir einmal über die Spaltung derjenigen sprechen, die sich schützen können und derjenigen, die sich nicht schützen können. 

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN] 

Diese Personen müssen wir in den Blick nehmen. Es müssen sich Menschen selbst schützen können, auch dann, wenn wir aufgrund der verringerten Hospitalisierungsrate von Omikron möglicherweise Lockerungsschritte gehen. Wir müssen immer im Hinterkopf behalten, dass es Menschen gibt, die wir nicht einfach so durchseuchen können, weil sie dann ein riesiges Problem bekommen. Diese Menschen müssen sich weiter vor dem Virus schützen können. Eine unkontrollierte Verbreitung auch dieses Virus darf keine Option sein. 

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Bettina König (SPD)] 

Die Durchseuchungsoption, die auch der AfD-Kollege Hansel hier gerade noch einmal ins Gespräch gebracht hat, ist ebenso keine Option. 

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist doch schon längst außer Kontrolle!] 

Der Genesenenstatus hat nach den Studien ein Schutzniveau von 44 Prozent. Jeder Impfstoff würde mit diesem Schutzniveau nicht zugelassen werden. Gerade Ungeimpfte, die jetzt Omikron bekommen haben, haben einen besonders schlechten Immunstatus nach der Infektion. Auch das zeigt uns: Impfen ist die richtige Wahl, um sich zu schützen und um vor schweren Verläufen geschützt zu sein. Wir stehen auch zu der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, bei allen Problemen, die dieses Bundesgesetz hat. Eine infizierte Krankenpflegerin kann immer noch 20 oder 30 ältere Menschen in einem Pflegeheim umbringen, wenn sie sie ansteckt. Es ist daher eminent wichtig, dass diese Impfpflicht kommt und umgesetzt wird. Ich muss auch einmal unsere Pflegekräfte in Berlin in Schutz nehmen. Wir haben hier sowohl im Altenpflegeals auch im Krankenpflegebereich extrem hohe Impfstände. Darauf können wir stolz sein. 

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Bettina König (SPD)] 

Ich hoffe, die letzten noch fehlenden Prozente werden sich auch impfen lassen. – Danke schön! 

[Beifall bei der LINKEN] 

Corona Covid19 Freedom Day Impfen Pflegekräfte

Im folgenden mein Redebeitrag in der 4. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 19. Wahlperiode vom 13.1.2022 zum Tagesordnungspunkt 1 – Aktuelle Stunde.

Tobias Schulze (LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere öffentliche Infrastruktur wird gerade einem Stresstest unterzogen. Das ist allerdings leider kein Test, sondern bittere Realität für viele Leute in unserer Stadt. – Gucken wir mal an, wo wir stehen: Beim Impfen haben wir einen guten, aber keinen sehr guten Stand erreicht. Knapp 75 Prozent der Berlinerinnen und Berliner sind doppelt geimpft. Knapp 45 Prozent haben mit Stand heute eine Auffrischungsimpfung erhalten. Man muss sagen: Impfen – idealerweise dreifach – schützt auch bei Omikron am besten vor einem schweren Verlauf. Auf den Covidstationen und erst recht auf unseren Intensivstationen liegen zum allergrößten Teil Ungeimpfte. Das gehört zur Wahrheit. Die habe ich heute, insbesondere von der AfD, noch nicht gehört.
[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Bettina König (SPD)]
Nur 13 Prozent der Menschen, die im Januar mit Covid19 in ein Berliner Krankenhaus kamen, waren vollständig geimpft. Mehr als 85 Prozent der Menschen, die mit Covid in ein Krankenhaus kamen, waren unvollständig oder gar nicht geimpft. In Sachsen mit der niedrigsten Impfrate sterben viermal so viele Menschen an Covid-19 wie in Bremen, das die höchste Impfrate hat. Man kann es nicht oft genug sagen: Der erreichte Stand bei den Impfungen ist der Grund dafür, dass unser Gesundheitssystem und unsere Infrastruktur noch nicht komplett zusammengebrochen sind. Impfen schützt!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]
Aber wir müssen noch besser werden und die Impfkampagne anpassen. Noch immer gibt es zu viele, die nicht erreicht werden.
[Beifall von Kurt Wansner (CDU)]
Die Gründe, warum Menschen sich nicht impfen lassen, sind vielfältig, aber fast immer gehen sie auf Desinformationen, auf Misstrauen und auf Fake News zurück.
[Kurt Wansner (CDU): Sie könnten ja mal nachdenken!]
Skepsis gegenüber Covidimpfungen und Verschwörungsmythen – um das hier mal klar zu betonen – sind in allen Schichten unserer Gesellschaft verbreitet. Es wird der Ernsthaftigkeit der Lage nicht gerecht, auf einzelne Gruppen mit dem Finger zu zeigen und andere nicht zu benennen. Wir kennen nämlich nur die Impfzahlen für ganz Berlin. Wir kennen keine Impfzahlen für einzelne Bezirke oder gar für einzelne Bevölkerungsgruppen. Anekdotische Geschichten ersetzen leider keine Statistik.
Es gibt aber Statistiken, z. B. aus Wien. Die Stadt Wien hat jüngst valide Zahlen zur Impfbereitschaft erhoben.
Das Ergebnis: Menschen mit migrantischer Herkunft lassen sich nicht weniger impfen als Menschen, die keine migrantische Herkunft haben.
[Beifall bei der LINKEN]
Aber es gibt Kriterien, an denen man die Impfbereitschaft ablesen kann, z. B. das Alter, das Einkommen und die Nähe bzw. die Distanz zu staatlichen Institutionen. Nichtwählerinnen und Nichtwähler lassen sich in Wien signifikant weniger impfen als Menschen, die wählen gehen. Ich kann nur an uns alle als Demokratinnen und Demokraten appellieren: In dieser Pandemie ist Solidarität gefragt, und einmal mehr sollten wir differenzieren, statt Gruppen über einen Kamm zu scheren.
[Beifall bei der LINKEN]
Der Großteil der Berlinerinnen und Berliner, egal welcher Herkunft, hat sich impfen lassen und hält sich an die Infektionsschutzregeln. Sie schützen nicht nur sich, sondern auch Vorerkrankte, Ältere, Kinder und andere vulnerablere Gruppen. Ihnen gilt unser Dank für ihre Solidarität. – Danke schön, liebe Berlinerinnen und Berliner!
[Beifall bei der LINKEN]
Wo Menschen noch nicht erreicht werden, ob in Neukölln, Spandau, Mitte oder Marzahn, muss das Impf- und Beratungsangebot vor Ort sein. Das Vorhaben des Senats, mit der Impfkampagne in Stadtteilzentren, Gebetshäuser und Jugendclubs vor Ort zu gehen, aber auch mobile Impfteams einzusetzen, findet unsere volle Unterstützung. „Der Piks muss dahin, wo die Menschen sind“ hat Sozialsenatorin Kipping das gestern auf den Punkt gebracht. Der erste kleine Impfgipfel gestern mit 70 Teilnehmenden war ein guter Erfolg. – Danke schön dafür!
[Beifall bei der LINKEN]
Auch die Verteilung der 1,4 Millionen kostenlosen FFP2- Masken an Menschen mit Berlinpass und Geflüchtete ist eine Chance zur Kontaktaufnahme mit öffentlichen Institutionen und kann Vertrauen schaffen. Ich bin sehr froh, dass der Krisenstab und die Sozialverwaltung dieses vorausschauende Handeln an den Tag gelegt und die FFP2-Masken rechtzeitig besorgt haben.
Aber es gibt auch Menschen, die wir wohl gar nicht mehr erreichen werden. Das muss man auch sagen. Das sind die ganz Ideologisierten. Einige prominente Impfgegner wie der Niederländer Robin Fransman, der Österreicher Johann Biacsics oder die Amerikanerin Cirsten Weldon sind selbst an Covid-19 gestorben. Und auch der AfD- Landtagsabgeordnete Bernd Grimmer aus Stuttgart war ganz stolz darauf, sich nicht impfen zu lassen, und starb dann kurz vor Weihnachten. Die örtliche AfD erklärte dazu, für ihn sei die Freiheit wichtiger gewesen. Er habe sich, so erklärte seiner Partei – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –,
nicht zum Versuchskaninchen von Pharmalobby und Altparteien
machen lassen. Das hat wohl nichts mit Bekämpfung der Pandemie zu tun. Mal klar und deutlich: Man kann zu vielen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung unter- schiedlicher Meinung sein, aber wer in politisch verant- wortlicher Position entgegen aller Evidenz die Gefähr- lichkeit des Virus verleugnet, den Impfungen ihre Wir- kung abspricht oder Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler bedroht, der säht Hass auf dem Rücken von Vorerkrankten, Älteren und Kindern. Schwurbeln tötet. Das ist kein Kavaliersdelikt.
[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP –
Beifall von Kurt Wansner (CDU)]
Im Stresstest befinden sich derzeit auch und ganz beson- ders unsere Kitas und Schulen. Berlin hat sich als eins von drei Bundesländern dafür entschieden, alle Klassen- räume mit Luftfiltern auszustatten. Viele in Bayern und Hessen wissen übrigens überhaupt nicht, wovon wir spre- chen. Da hat noch nie jemand in Schulen einen Luftfilter gesehen. Ich muss mal sagen, dass das eine großartige Initiative ist. In diesen Tagen erreichen wir die Hälfte der Auslieferungen, also etwa 11 000 der 22 000 anzuschaf- fenden Luftfiltergeräte. Auch die Maskenpflicht wurde wieder auf alle Schülerinnen und Schüler ausgeweitet, und die Testintensität wurde noch einmal erhöht.
Aber der Omikron-Welle mit ihren hohen Ansteckungsra- ten sind unsere Bildungseinrichtungen trotz dieser Schutzmaßnahmen nicht ausreichend gewachsen. Bei Kindern und Jugendlichen haben wir – Stand heute Mor- gen – eine Inzidenz von mehr als 1 700, Tendenz weiter steigend. Für viele Eltern fühlt er sich wie Russisch Rou- lette an, ihre Kinder morgens loszuschicken. Jeden Tag werden Mitschülerinnen und Mitschüler und Lehrkräfte positiv getestet, und immer mehr von ihnen sind in Qua- rantäne oder in Isolation. Wir haben bereits jetzt massiv Unterrichtsausfälle.
FDP und insbesondere die AfD fordern uns nun heute mit Anträgen auf, die Infektionsschutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche fast komplett abzuschaffen. Es ist Ihnen offenbar egal, dass ein relevanter Prozentsatz der Kinder Folgeschäden einer Infektion davontragen könnte oder dass eine Coviderkrankung für vorerkrankte Kinder eine echte Gefahr darstellen kann. Das ist so. Und als Krö- nung raten Sie seitens der rechtsradikalen Partei auch noch von Impfaktionen für Kinder und Jugendlichen ab. Ich kann nur sagen, das ist angesichts der Pandemie, die wir derzeit haben, unfassbar.
[Ronald Gläser (AfD): Das ist verantwortungsbewusst!]
Wenn wir Kinder und Jugendliche wirksam schützen wollen, dann müssen wir das Instrumentarium der Schutzmaßnahmen wieder erweitern und nicht einschrän- ken. Wir müssen die Präsenzpflicht an den Schulen auf- heben. Vorerkrankte Kinder etwa müssen zu Hause ler- nen können, ohne dass ihnen dies negativ bei Noten oder Fehltagen angerechnet wird. Wir brauchen auch die Mög- lichkeit, schnell in den Wechselunterricht gehen zu kön- nen, wenn das Pandemiegeschehen an unseren Schulen weiter explodiert – natürlich mit entsprechender Notbe- treuung, denn es geht darum, die Komplettschließung zu vermeiden. Das geht nur, indem man vorausschauend die entsprechenden Maßnahmen trifft.
[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Bettina König (SPD)]
Aber diese Handlungsmöglichkeiten für die Bundeslän- der hat der Bund leider unterbunden, indem er trotz anrol- lender fünfter Welle die epidemiologische Lage von nationaler Tragweite auslaufen ließ. Das war ein Fehler, um es mal klar und deutlich zu sagen.
[Beifall bei der LINKEN]
Wir brauchen bei den Allzeitrekorden, die wir derzeit erleben, alle rechtmäßigen Instrumente, um die Pandemie angemessen bekämpfen zu können. Dazu gehören insbe- sondere die Maßnahmen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen, wenn sie nicht zur Arbeit gehen können. Aber es geht auch um Maßnahmen, die vulnerab- le Gruppen weiter in den Blick nehmen. Der Schutz vor einer Pandemie darf keine Privatsache sein. Die Leute stehen natürlich vor den Teststationen an, weil sie Krank- schreibungen mit der entsprechenden Diagnose für ihre Arbeitgeber oder die Schule und die Kita brauchen. Wir müssen Maßnahmen treffen, damit hier Entlastung reinkommt.

Wir haben nicht vergessen, dass es die Pflegekräfte und die Ärztinnen, die Kassiererinnen, die LKW-Fahrer, die Lehrkräfte in den Schulen, die Erzieherinnen in den Kitas und die Menschen in Ämtern und in unseren Unternehmen der Daseinsvorsorge sind, die den Laden hier in der Krise am Laufen halten. Ihnen allen, die sie derzeit in den Betrieben arbeiten, unter schwierigen Bedingungen und unter Einsatz ihrer Gesundheit, gilt unser Dank, gilt unsere Solidarität. Und wenn wir sie schützen wollen, dann muss die Politik auch in Zukunft handeln können. Die Infrastruktur, die der Kern unseres Gemeinwesens ist, wollen wir mit den entsprechenden Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung schützen, und daran halten wir fest. –
Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Entgegnung auf die Zwischenintervention der AfD:

"Ja, Kollege Hansel: Differenzierung ist nicht Ihre Stärke.
[Karsten Woldeit
(AfD): Doch, unsere ja!]
Sie waren ja sowohl gegen das Testen als auch gegen das Impfen. Das ist interessant.
[Zuruf von der AfD: Da haben Sie nicht zugehört!]
Es ist das Präventionsparadox, dass die Maßnahmen, wenn sie wirken, hinterher dazu führen, dass alle sagen: Na sehen Sie, war doch gar nicht so schlimm! – In der Tat: Wir haben viele Tote durch Corona gehabt. Wir haben nicht die Zahlen gehabt, die mal prognostiziert worden sind; das hat damit zu tun, dass wir mehrere Lockdowns hatten und dass wir eine Impfkampagne angefahren haben. Die Länder, in denen das nicht so war, hatten deutlich höhere Todeszahlen,
[Jeannette Auricht
(AfD): Wo denn?]
und dort ist die Pandemie noch mal mit ganz anderen, schweren Problemen ausgegangen.
[Zurufe von der AfD]
Gerade Schweden hat darunter ganz bitter gelitten. Und wenn Sie mal nach London schauen, wo Omikron als Erstes richtig durchgeschlagen hat: Dort ist die Infrastruktur in die Knie gegangen. Die hatten so viele Krankschreibungen, dass die U-Bahn nicht mehr gefahren ist, dass die Schulen zumachen mussten, dass die Krankenhäuser nicht mehr funktioniert haben. Wir werden möglicherweise mit Omikron irgendwann in eine endemische Lage kommen; davon sind wir aber im Moment noch eine ganze Ecke weg, muss man sagen. Und wenn wir in diese endemische Lage kommen, dann nur, wenn sich genug Leute impfen lassen. Wenn wir zu wenig impfen oder zu wenig Geimpfte haben, dann reicht auch das Viertel Ungeimpfte, um hier unsere Infrastruktur zum Einsturz zu bringen. Es ist Ihre Verantwortung– ich glaube nicht, dass Sie die wahrnehmen, aber es wäre Ihre
Verantwortung –, bei Ihrer Klientel dafür zu sorgen, dass sich die Leute impfen lassen. Vielleicht erreichen Sie da etwas.– Danke schön!
[Beifall bei der LINKEN

Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN

Beifall von Bettina König
(SPD)]

Covid19 Impfen Omikron Schule

Im folgenden mein Redebeitrag in der 2. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 19. Wahlperiode vom 18.11.2021 zum Tagesordnungspunkt 2 A - Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens „Einführung eines Berliner Transparenzgesetzes“

Frau Präsidentin! Vorab möchte ich gern sagen, dass ich mich freue, dass Sie die Sitzung heute leiten, ich glaube zum ersten Mal, wenn ich das richtig sehe.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]
Wir haben zwar noch ein bisschen Phantomschmerz, dass wir keine Vizepräsidentin mehr haben, aber wir arbeiten daran, dass sich das wieder ändert. Jetzt freuen wir uns erst mal, dass Sie heute die Sitzung leiten. – Danke schön!
Dass die AfD die direkte Demokratie gerade hochgehal- ten hat, ist für eine rechtsradikale Partei natürlich lustig.
[Zurufe von der AfD]
Wir hatten ja am 26. September mit knapp 60 Prozent der Stimmen einen erfolgreichen Volksentscheid für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. Dass wir das umsetzen müssen, steht, glaube ich, außer Frage.
[Dr. Kristin Brinker (AfD): Und wie war das mit Tegel?]
Wir sprechen gerade über die Frage, wie wir das umsetzen. Dazu habe ich von Ihnen jetzt leider noch nichts gehört. Direkte Demokratie geht natürlich nicht nur, wenn es einem passt,
[Dr. Kristin Brinker (AfD): Gucken Sie mal in unser Parteiprogramm!]
sondern man muss die direkte Demokratie natürlich auch ernst nehmen, wenn einem die Abstimmungsergebnisse mal nicht passen.
[Beifall bei der LINKEN – Dr. Kristin Brinker (AfD): Tegel! – Zurufe von der AfD]
Was kann eigentlich das Transparenzgesetz in Berlin? Es wurde schon einiges dazu gesagt. Wir haben ja zwei Stufen. Seit 22 Jahren gilt in unserer Stadt das Informationsfreiheitsgesetz. Jeder Bürger, jede Bürgerin kann hier eine Anfrage stellen und Informationen des Staates erhalten.
Viele Dinge sind damit schon ans Licht der Öffentlichkeit gekommen.
Das Transparenzgesetz geht jetzt eine Stufe weiter und stellt diese Daten offen, und zwar für alle und jederzeit und digital. Das wäre, glaube ich, ein Riesenfortschritt, wenn wir das in Berlin erreichen könnten. Insofern möchte auch ich der Initiative noch mal danken. Die Initiative besteht übrigens aus vielen Organisationen, nicht zuletzt Umweltverbänden, aber auch Gewerkschaften, aber auch Bürgerrechtsinitiativen. Dass diese Initiative so breit aufgestellt ist, zeigt auch, was das Transparenzgesetz ist, nämlich ein Booster für unsere Demokratie. Wenn der Staat Transparenz über seine internen Prozesse herstellt, dann fühlen sich Bürgerinnen und Bürger in der Lage, demokratisch mitzuarbeiten, mit zu entscheiden und Dinge voranzubringen, und sie machen das dann auch. Insofern geht es hier nicht nur um die Frage, ob wir ein Wirtschaftsgut haben, das Wirtschaftswachstum erzeugt, das ist auch der Fall, viele Startups bauen auf Offene-Daten-Anwendungen auf, die richtig toll sind, sondern es geht auch darum, dass wir einen Demokratiebooster haben, der die Demokratie nach vorne bringt, der Engagement erzeugt, der uns in unserer zivilgesellschaftlich sehr aktiven Stadt gut zu Gesicht steht.
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]
Ja, wir hätten das Gesetz gerne schon in der letzten Legislaturperiode verabschiedet. Es gab einen Senatsentwurf, und wir haben in der Koalition bis zum Sommer darüber verhandelt, ob wir das hinbekommen, diesen Senatsentwurf noch zu verabschieden. Weil Herr Goiny vorhin die Frage angesprochen hat, ob Rot-Rot-Grün für Transparenz ist oder nicht – das ist hier, glaube ich, nicht die Frage, sondern es geht hier um die Frage, ob wir alle Verwaltungen in die Lage versetzen, die hohen Ansprüche, die wir an ein Transparenzgesetz haben, dann auch so umzusetzen, wie wir uns das vorstellen. Ich glaube, da liegt der Hase eher im Pfeffer. Wer sich mal bei der Bundesregierung anguckt, wie dort Daten geheim gehalten werden, der weiß, dass sozusagen, glaube ich, Verwaltungen immer den Drang haben, erst mal zu sagen, das ist hier unsers, das ist unser Silo, das ist mein Aktenschrank, an dem ich viele Jahrzehnte gearbeitet habe, den gebe ich jetzt nicht so einfach Preis.
Deswegen, glaube ich, liegt es daran, dass wir uns als Parlament – und dafür möchte ich werben – den Transparenzgesetzentwurf, sowohl den der Initiative als auch den des Senats, vornehmen und uns als Parlament möglichst schnell auf den Weg machen und einen Transparenzgesetzentwurf verabschieden, gerne auch mit den demokratischen Fraktionen hier im Haus zusammen, um ein möglichst gutes Gesetz für Berlin im kommenden Jahr hinzubekommen, möglichst nach Hamburger Vorbild, das sage ich ja auch. Die Hamburger haben hier einfach einen Goldstandard gesetzt.
Aber ich glaube, wir müssen unsere Verwaltung auch ein Stück weit mitnehmen, was wir dort hinbekommen. Da geht es darum, dass wir einfach noch keine elektronische Akte haben. Hamburg hat damals vor zehn Jahren einfach auf den Knopf gedrückt und die Daten ins Netz gestellt, also war nicht ganz so, sehr vereinfacht jetzt. Wir haben größtenteils noch Papierakten. Wir können hier auf keine Knöpfe drücken und dann ins Netz stellen, sondern wir müssen erst mal die Voraussetzungen schaffen, dass die Daten ins Netz kommen können. Deswegen müssen wir Übergangsfristen einbauen und bestimmte Dinge vorbereiten. Das wäre übrigens eine Aufgabe, die auch die FDP hätte, wenn sie jetzt regieren würde, was sie ja Gott sei Dank nicht tun wird.
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der FDP]
Diese E-Akte wird kommen, wir nehmen an, bis Ende 2024 ist das da, und bis dahin sind dann hoffentlich die Verwaltungen so vorbereitet, dass wir das Datenportal komplett für alle Bereiche scharfschalten können. Ich freue mich auf die Debatte über ein Transparenzgesetz in Berlin. Wir werden das natürlich mit der Initiative zu- sammen erarbeiten und dann hoffentlich im kommenden Jahr ein gutes Transparenzgesetz verabschieden. – Danke schön!
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

 

 

Informationsfreiheit Open Data Transparenzgesetz Volksbegehren

Im folgenden mein Redebeitrag in der 80. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 18. Wahlperiode vom 3.6.2021 zum Tagesordnungspunkt 30 - Wir brauchen einen „Blue Deal“ für die Berliner Wirtschaft II – Wissenstransfer und Fachkräfte – Stärkung der Berliner Wirtschaft als Schwerpunkt der neuen Hochschulverträge

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:
Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Schulze das Wort.
Tobias Schulze (LINKE):
Als ich den Antrag gelesen habe, dachte ich: Wenn Rechtsradikale Wissenschaftspolitik machen, dann kommt so was dabei raus – schwache Kür, ehrlich gesagt. Schauen Sie sich mal an, was in Berlin auf diesem Gebiet schon alles passiert. Frau Czyborra hat in hervorragender Weise ausgeführt, was wir alles an Infrastruktur zum Transfer in die Wirtschaft haben, und wenn Sie sich mal die Gründungsumfrage 2020 unter den Hochschulen und Unternehmen, die sich ausgegründet haben, ansehen, dann sind das beeindruckende Daten, die wir hier vorweisen können. Berlin ist Gründungund Start-up-Hauptstadt in der Bundesrepublik. Wir haben 63 000 Beschäftigte in Ausgründungs-Start-ups aus Hochschulen, die machen 8,4 Milliarden Euro Umsatz in Berlin. Ein Viertel der bundesweiten Start-ups gründet sich allein in Berlin. Und wie man jetzt auf die Idee kommen kann, das hier schlechtzureden, erschließt sich mir überhaupt nicht.
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]
Wir sind bei den Gründungen deutschlandweit an der Spitze, nirgendwo werden so viele Unternehmen gegründet wie in Berlin. Es wurde heute schon gesagt, ich will es auch noch mal sagen: Die Menschen mit Migrationsgeschichte in unserer Stadt sind ganz weit vorn, was die Gründungen angeht, und dieses Engagement muss man hier auch mal würdigen.
Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hansel?
Tobias Schulze (LINKE):
Nein. – Wir haben in Berlin diverse Gründungszentren an den Hochschulen, und im Rahmen der BUA, der Berlin University Alliance, arbeiten die Universitäten jetzt auch noch mal verstärkt im Gründungsbereich zusammen. Wir werden das FUBIC bekommen, einen Gründungscampus an der FU, und – was leider nur in der Begründung des Antrags auftaucht – die Fachhochschulen sind bei uns in der Zusammenarbeit mit der mittelständischen Wirtschaft ganz weit vorn. Die sollten wir in die nächsten Hochschulverträge noch mal ganz besonders aufnehmen, denn sie haben ein Riesenwachstum hingelegt, haben massenweise neue Studierende aufgenommen und ächzen tatsächlich unter den vielfachen Anforderungen von Transfer, Forschung und Lehre. Deswegen: Die Fachhochschulen müssen in den nächsten Hochschulverträgen nach vorn.
[Beifall von Anne Helm (LINKE), Dr. Ina Maria Czyborra (SPD), Ülker Radziwill (SPD) und Stefanie Remlinger (GRÜNE)]
Ich will mir mal ansehen, was die AfD-Wissenschaftspolitik sonst so gemacht hat. Was haben Sie denn in den Haushaltsanträgen zum Doppelhaushalt 2020/21 vorgeschlagen? Nichts von dem, was in Ihrem Antrag steht, sondern Sie haben vorgeschlagen, die Gender- und Geschlechterforschung zu streichen – irre, wenn man darüber nachdenkt, dass sich zum Beispiel bei Corona gerade wieder deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede in der Medizin gezeigt haben. Sie haben vorgeschlagen, die Frauenförderung zu streichen – auch irre, wenn man bedenkt, dass Berlin nur wegen dieser Frauenförderung so weit vorn ist beim Anteil von Frauen auf Professuren und in der Wissenschaft allgemein. Sie haben vorgeschlagen, die Finanzierung der Geschäftsstelle der Landeskonferenz der Frauenbeauftragten zu streichen. Dann haben Sie noch ein paar Anfragen gestellt, was die Alice-Salomon-Hochschule denn so an Forschungsthemen hat. Sie wollten das Geld für die Islamische Theologie an der Humboldt-Universität streichen. Und jetzt schlagen Sie allen Ernstes vor, nachdem Sie all diese Vorschläge gemacht haben, mehr waren es nämlich nicht, die Berliner Wissenschaft der Wirtschaft unterzuordnen. Das finde ich absolut irre, und das hat nichts mit der Realität in unserer Stadt zu tun und auch nichts mit dem, wofür wir Wissenschaft in dieser Stadt brauchen.
[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Beifall von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]
Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, um mal darauf hinzuweisen, wie vielfältig unsere Wissenschaftslandschaft in der Stadt ist und wie wichtig uns die Wissenschaftsfreiheit dabei ist, die ganz verschiedene Zwecke erfüllen muss, die die kritische Resonanz in der Stadt als Funktion erfüllen muss, die die Stadtentwicklung mitträgt, die aber auch international ausstrahlt, die uns berät. Deswegen will ich heute ganz besonders denen danken, die z. B. in der Geschlechter- und Frauenforschung in unserer Stadt am Public Institute for Health arbeiten, das jetzt bei der Coronapandemie noch mal eine ganz besondere Rolle gespielt hat.
Ich möchte den Klimaforscherinnen und Klimaforschern danken, die in unserer Stadt arbeiten und die die Szenarien entwickeln, auf denen wir politische Entscheidungen treffen können. Ich möchte auch Prof. Drosten und den Virologinnen und Virologen danken, die in unserer Stadt arbeiten und die uns jetzt in der Pandemie so wichtig beraten haben. Ich glaube, noch nie war Wissenschaft so präsent im öffentlichen und politischen Diskurs. Deswegen auch danke an Prof. Drosten und die Virologinnen und Virologen in der Stadt!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]
Ich möchte den Forscherinnen und Forschern an unseren Fachhochschulen danken. Sie machen nämlich tatsächlich 18 Stunden Lehre pro Woche, und Forschung findet quasi nach Feierabend statt. Trotzdem erreichen sie unwahrscheinliche Leistungen in der Forschung. Wir haben die forschungsstärksten Fachhochschulen in Deutschland mit wahnsinnigen Studierendenzahlen, Drittmitteleinnahmen und tollen Projekten. Deswegen auch Dank an die Forscherinnen und Forscher der Fachhochschulen!
[Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]
So ein Antrag, wie Sie Ihnen hier gestellt haben, der hilft niemandem in dieser Stadt weiter. Deswegen werden wir ihn auch ablehnen. Ich freue mich übrigens nicht auf die Debatten im Ausschuss, sondern ich freue mich, wenn er abgelehnt wird. – Danke schön!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Im folgenden mein Redebeitrag in der 75. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 18. Wahlperiode vom 11.3.2021 zum Tagesordnungspunkt 12 - Drucksache 18/3458 Gesetz zur Weiterentwicklung des Informationszugangs für die Allgemeinheit – Erste Lesung

Frau Präsidentin, vielen Dank! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Eindruck, Volkspartei definiert man mit möglichst wenig Anwesenheit auf den Rängen.

[Beifall bei der LINKEN – Hu huhu! von der LINKEN]

Aber gut. – Ich möchte zu einem sehr unangenehmen Thema kommen.

[Ui! von der LINKEN]

Informationsfreiheit und Transparenz sind nämlich keine angenehmen Themen, nicht für uns Parlamentarier, auch nicht für den Senat, nicht für die Bezirke und auch nicht für alle nachgelagerten öffentlichen Einrichtungen und Behörden. Was genau an den Themen Informationsfrei- heit und Transparenz so unangenehm ist, kann man auf dem Portal „Frag den Staat“ sehen. Angenehm ist es nämlich zum Beispiel nicht, wenn ein Bürger nach ver- nichteten Impfdosen in Berlin fragt. Angenehm ist es auch nicht, wenn per IFG-Anfrage herauskommt, dass Berliner Polizeibeamte vor dem G-20-Gipfel in Hamburg so wild gefeiert haben, dass sie wieder nach Hause ge- schickt wurden. Und erst recht besonders unangenehm ist es, wenn die Studierendenvertretung der Freien Universi- tät wissen will, wie die Bewertung einer Dissertation einer bekannten Politikerin zustande kam.

Aber ob angenehm oder nicht, der Grundsatz der Infor- mationsfreiheit geht auf den Leitsatz demokratischer Staatsverfassung zurück: Der Staat ist nicht für sich selbst da, sondern als Organisation des Gemeinwesens. Der Staat ist für seine Bürgerinnen und Bürger da, und für niemand anderen sonst.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Sabine Bangert (GRÜNE) und Benedikt Lux (GRÜNE)]

Also haben alle Bürgerinnen und Bürger ein Recht da- rauf, möglichst viele Informationen über die Tätigkeit von Staat und Behörden zu erhalten. Diese Informations- freiheit ist in Art. 5 Grundgesetz sogar mit Verfassungs- rang versehen. Der Staat hat grundsätzlich vor seinen Bürgerinnen und Bürgern nichts zu verbergen, denn er ist von ihnen – und nur von ihnen – legitimiert. Demokratie und Mitbestimmung werden nämlich erst dann wirklich ermöglicht, wenn öffentliche Informationen nicht als Machtmittel zurückgehalten und damit missbraucht wer- den können. Informationsfreiheit heißt, dass Bürgerinnen und Bürger mitreden, dass sie mitentscheiden können, und es heißt auch, dass Bürgerinnen und Bürger den Staat kontrollieren können, weil sie etwas wissen über den Staat.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben richtig gehört: Wir als Abgeordnete bekommen Konkurrenz bei der Kontrolle der Regierung. Aber in dem Ziel, dass wir die Kontrolle des Staats demokratisieren und in die Hän- de von vielen legen wollen, sind wir uns hier im Hause hoffentlich alle einig.

Der Weg zur nicht veröffentlichten amtlichen Informati- on ist bisher äußerst steinig. Wer von uns es einmal pro- biert hat, der weiß das. Man kann einen IFG-Antrag stel- len, dann wird über die Rechtmäßigkeit entschieden, und oft landen strittige Auskunftsersuchen vor Gericht und ziehen lange Gerichtsverhandlungen nach sich. Bisher wird etwa jede dritte IFG-Anfrage abgelehnt. Je nach Aufwand werden Gebühren berechnet, die erheblich sein können; sie können bis zu mehrere Hundert Euro betra- gen. Das hält dann schon mal den einen oder anderen Bürger davon ab, eine IFG-Anfrage zu stellen.

Es gab und gibt also genug Möglichkeiten für den Staat, der Informationsfreiheit viele Steine in den Weg zu legen. Und genau dort, an dieser Stelle, setzt die Weiterentwick- lung des Informationsfreiheitsgesetzes zu einem Transpa- renzgesetz an. Was ist ein Transparenzgesetz? – Ein Transparenzgesetz verpflichtet Behörden und öffentliche Bereiche, Informationen und Daten proaktiv, von sich aus auf digitalem Wege für alle zugänglich zu machen, und zwar gebührenfrei, maschinenlesbar und unter offenen Lizenzen. Alle Daten für alle öffnen – so lautet die Über- schrift für eine Weiterentwicklung des Informationsfrei- heitsgesetzes zu einem Transparenzgesetz. Das steht genau so auch im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün.

Dabei geht es nicht nur um demokratische Kontrolle. Offene, maschinenlesbare Daten – jetzt können die FDP und die CDU mal hinhören – können auch positive Effekte für die Wirtschaft haben, für den gemeinnützigen Sek- tor, und nicht zuletzt für die Verwaltung selbst.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE) und Bernd Schlömer (FDP)]

– Da klatscht der Kollege Schlömer; der weiß, worum es geht. Das ist sehr gut.

[Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN]

Ich nenne zwei Beispiele: Die „Öffi“-App etwa, die wahrscheinlich einige von uns kennen, funktioniert nur deswegen, weil die Nahverkehrsunternehmen ihre Daten- ports für jedermann aufgemacht haben und jedermann dort über die offene Schnittstelle zugreifen kann. Auch der Kita-Navigator, über den Eltern freie Plätze finden können, nutzt die Daten der integrierten Software Berli- ner Jugendhilfe. Das ist ein Programm, das sonst Ge- schäftsvorgänge zwischen den Kitaträgern und dem Land Berlin abwickelt. Diese Daten werden auf „öffentlich“ gestellt und können damit den Kita-Navigator füttern. – Wer also Daten proaktiv öffnet, der gibt kreativen Ent- wicklern spannende Möglichkeiten für neue Anwendun- gen.

Der größte Nutznießer dieser offenen Daten ist jedoch die öffentliche Hand selbst. Heute bleibt das Wissen von Verwaltungen in den Schreibtischschubladen oder auf den PCs liegen, und nur selten wird es hervorgekramt. Man nennt das auch Datensilos, wer den Begriff schon mal gehört hat. Wenn ein Beamter also in die Akten oder Datensätze einer anderen Beamtin schauen will, dann muss er sie erst anrufen und anfragen. Mit einem Trans- parenzgesetz stünden diese Daten zum gegenseitigen Zugriff sofort und proaktiv bereit.

Das zivilgesellschaftliche Bündnis für den Volksent- scheid Transparenz, in welchem auch wir als Berliner Linke Mitglied sind, hat daher Druck gemacht und bereits 2018 einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt und diesen mit über 33 000 Unterschriften eingereicht. Wir hätten uns als Linke gewünscht, dass der Senat sowohl bei der Prüfung dieses Volksbegehrens als auch bei der Vorlage eines eigenen Gesetzentwurfs deutlich schneller reagiert.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Franziska Becker (SPD)]

Auch inhaltlich muss ich leider sagen, dass wir den Ent- wurf in Zusammenarbeit mit den zivilgesellschaftlichen Initiativen noch einmal deutlich gegen den Strich bürsten müssen. Insbesondere Verschlechterungen gegenüber dem bereits seit über 20 Jahren geltenden Informations- freiheitsgesetz können wir leider nicht so stehenlassen. So soll es laut Senatsentwurf eine Menge Bereichsaus- nahmen geben, also ganze Verwaltungseinheiten, die nicht auf Bürgeranfragen antworten müssen. Das betrifft etwa den Verfassungsschutz, die Polizei, Stiftungen und ihre Satzungen, aber es soll auch den ganzen Bereich Wissenschaft und Forschung betreffen. Eine Anfrage zur Dissertation einer Politikerin, wie ich sie zu Beginn erwähnte, wäre dann also nicht mehr zulässig. Auch die Abgeordnetenhausverwaltung soll nicht mehr der Infor- mationsfreiheit unterliegen. Das kann die Frau Präsiden- tin doch nicht wollen, nehme ich an –

[Beifall von Stefan Ziller (GRÜNE)] oder, Frau Präsidentin?

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Senatsentwurf für ein Transparenzgesetz ist eine Grundlage, an der wir nun im Austausch mit dem Bündnis Transparenz Berlin intensiv weiter arbeiten werden. Wir wollen, dass die Daten aus den Silos kommen, denn ich glaube, Daten öffnen ist besser für uns alle. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

 

IFG Informationsfreiheit

Im folgenden mein Redebeitrag in der 75. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 18. Wahlperiode vom 11.3.2021 zum Tagesordnungspunkt 25 - Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/3445 – Planungssicherheit für Berliner Hochschulen: Hochschulverträge 2018-2022 verlängern

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal freue ich mich, dass die CDU die unglaublich guten Hochschulverträge, die Rot-Rot-Grün beim letzten Mal ausgehandelt hat, noch ein Jahr verlängern will. Ich kann das auch gut nachvollziehen, weil sie mit 3,5 Prozent Aufwuchs jedes Jahr sehr vernünftige Finan- zierungsgrundlagen bieten. Das sind insgesamt 221 Mil- lionen Euro, die wir zusätzlich seit 2017 in die Hochschulen gesteckt haben. Die Hochschulverträge werden zum Schluss ungefähr 1,4 Milliarden Euro umfassen – das auch mal denjenigen gesagt, die die Frage stellen, wie viel unsere Hochschulen an Raum in unserem Haushalt einnehmen. Das ist keine kleine Summe.

Die Inhalte der Hochschulverträge können sich ebenfalls sehen lassen. Wir haben beispielsweise dort mit den Hochschulen vereinbart, dass 35 Prozent der Stellen im Mittelbau entfristet anzubieten sind. Wir haben derzeit eine Befristetenquote von 90 Prozent bei den Mittelbau- stellen, und wir wollen auf 35 Prozent Entfristung hoch. Das ist vereinbart. Auch 2 000 Lehramtsabsolventinnen sind vereinbart; auch das ist ein ambitioniertes, aber wichtiges Ziel.

Ich glaube, wir sollten diese Zeit, um die wir die Hochschulverträge vielleicht verlängern, dazu nutzen, uns die Ergebnisse anzuschauen: Was haben die Hochschulen denn gemacht? Wie sind sie vorangekommen bei diesen ambitionierten Zielen, die sie sich selbst in Vereinbarung mit dem Land gesetzt haben? – Mit dem einen Jahr wäre also eine Zeit für Bilanz- und Ergebnisprüfung gewon- nen. Deswegen kann ich Ihrem Ansinnen, das um ein Jahr zu verlängern, durchaus zustimmen.

Die Hoffnung, dass vielleicht die CDU verhandelt, wenn es dann 2023 mit neuen Hochschulverträgen losgeht, ist Ihre Hoffnung. Wir müssen mal sehen, wie das so aus- geht; ich glaube es eher nicht. Aber es würde Rot-Rot- Grün wahrscheinlich ein bisschen Zeit verschaffen, um die nächsten Hochschulvertragsverhandlungen gut vorzu- bereiten.

[Zuruf von Adrian Grasse (CDU)]

Denn das System der Hochschulverträge muss natürlich modernisiert werden. Das haben wir uns auch mit dem Hochschulgesetz vorgenommen. Weil es hier gerade angesprochen wurde: Ja, es geht darum, dass einerseits auf der Seite der Hochschulen die Verträge besser vorbe- reitet werden, dass nicht nur die Präsidien alleine darüber diskutieren, wo es hingehen soll, sondern sie auch in ihren Gremien mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern darüber reden: Wo sollen unsere Hochschulen in zehn Jahren stehen? Wie wollen wir uns weiterentwickeln? Welche Schwerpunkte wollen wir setzen? – Dann hätten die Hochschulen auch ein eigenes Verhandlungsangebot, mit dem sie in die Verhandlungen mit dem Land gehen können. Das haben sie nämlich bisher nicht. Bisher warten sie auf das Land, um dann ja oder nein zu sagen – ja, das schaffen wir; nein, das schaffen wir nicht. – Das ist natürlich keine gleichberechtigte Verhandlung. Ich glaube, die Hochschulen könnten mit einem besser vorbereiteten Prozess wirklich gewinnen.

Auch die Landesseite muss sich natürlich auf die Verhandlungen vorbereiten. Wir haben das Problem, dass der Regierungswechsel immer mitten in die Vertragsverhand- lungen geplatzt ist. Deswegen gab es wenige Möglichkeiten, das im Parlament vor- und nachzubereiten, weil die Vertragsverhandlungen immer vor den Haushaltsverhandlungen laufen müssen. Der Zeitdruck war extrem groß. Auch deswegen kann ich Ihrem Vorschlag, ein Jahr zu verlängern, durchaus etwas abgewinnen, aber das Argument ist richtig: Das heißt dann wirklich Verlängerung, um eine neue fünfjährige Vertragsperiode vorzubereiten, und nicht jetzt schon neue Schwerpunkte zu setzen. Das ist der große Mangel an Ihrem Antrag.

Ich will auch noch kurz etwas zum Berliner Hochschulgesetz sagen, weil Sie es angesprochen haben: Wir werden unter anderem diesen Prozess zur Verhandlung der Hochschulverträge auch in dem neuen Hochschulgesetz verankern. Das ist im Senatsentwurf schon drin. Wir werden darüber noch mal sprechen.

Ich empfehle Ihnen sehr, nicht nur mit der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten über dieses Gesetz zu sprechen, sondern auch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, mit Menschen aus dem Mittelbau, mit Studierenden darüber zu sprechen, die auch alle Anforderungen an ein neues Hochschulgesetz haben, die möglicherweise etwas anders aussehen als die der Rektoren und Präsidenten. Selbst unter den Rektoren und Präsidentinnen gibt es so unterschiedliche Meinungen dazu, dass es sich sehr lohnt, jetzt in diesen Prozess zu gehen, hier das Gesetz im Parlament zu beraten. Sie werden sehen, dass es dort extrem unterschiedliche Auffassungen zu vielen Dingen gibt und dass die Aussage, dass die Leistungsfähigkeit verloren geht, an den Haaren herbeigezogen ist. Die Argumente, die in der LKRP-Stellungnahme kamen, nämlich Gleichstellung und Diversityförderung dafür als Beispiel zu nehmen, dass unsere Hochschulen hinterher nicht mehr leistungsfähig sind, trägt, glaube ich, nicht besonders weit. Ich freue mich da auf die Debatte, habe auch schon viele Gespräche mit den Präsidenten und Präsidentinnen dazu gehabt.

Insofern, glaube ich, ist es sinnvoll, dass wir die Hochschulverträge verlängern, dass wir uns genug Zeit nehmen für die Vorbereitung, dass wir auch das Finanzierungssystem nach Corona vielleicht auf neue Füße stellen, dass wir auch einige Kriterien der Finanzierung überprüfen. Wenn Sie neue Schwerpunkte setzen wollen und neues Geld dafür ausgeben wollen, dann hoffe ich, dass wir uns in der nächsten Legislatur zusammen dort treffen und möglicherweise zusammen – nicht in einer Koalition, sondern wir in der Regierung, Sie in der Opposition – für mehr Geld für die Wissenschaft streiten. – Danke schön!

In der 64. Tagung des Berliner Abgeordnetenhauses, vom 1.10.2020, habe ich mich in der Fragestunde für die Mitarbeiter der Charité interessiert.

 

 

Parlamentsreden vom rbb

Charité Fragestunde Mitarbeiter Streik

Da ich mich in der letzten Plenarsitzung vom Kollegen Schlüsselburg vertreten lassen musste, mein Redebeitrag für die 66. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 18. Wahlperiode vom 5.11.2020 nur in schriftlicher Form.

Tagesordnungspunkt 34

Digitalisierung der Verwaltung – Möglichkeiten von Homeoffice und mobilem Arbeiten ausweiten

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Zur Transparenz gehört dazu, dass ich jetzt hier den Kollegen Schulze vertrete, der aus nachvollziehbaren Gründen nicht hier sein kann. Ich versuche, das so gut wie möglich zu machen, auch wenn Sie mir hoffentlich nachsehen, dass mir über Nacht kein Vollbart gewachsen ist und ich mich auch nicht habe durchringen können, meinen Kopf zu rasieren.
[Paul Fresdorf (FDP): Da hätte man was kombinieren können!]
Aber das ist nicht mein geistiges Eigentum, sondern seins.
Die Pandemie unterzieht unsere öffentliche Infrastruktur einem Stresstest unbekannten Ausmaßes. Das haben wir im März gemerkt, als die Schulen und die Kitas geschlossen wurden und die Unternehmen und Behörden ihre Mitarbeiter angewiesen haben, so weit wie möglich von zu Hause aus zu arbeiten. Die Priorisierung des Homeofficeausbaus, Herr Lenz, ist der entscheidende Mosaikstein dieses Antrags. Na klar haben wir ein bisschen länger an dem gesessen, aber die Pandemie kam, und sie macht deutlich, wie sehr wir hier priorisieren müssen. Da kann das Parlament Druck machen und mit einem jährlichen Bericht den Druck im Kessel erhöhen. Das ist übrigens völlig richtig so.
[Beifall bei der LINKEN]
Bis zum März waren Senat und Bezirke vor allem damit beschäftigt, die unterlassenen Investitionen der letzten Jahre bei unserer IT-Ausstattung aufzuholen. Herr Lenz, da habe ich wieder Regierungsamnesie bei Ihnen mitbekommen, denn auch Sie haben in Ihren fünf Jahren nur unzulässig Investitionen in diesen Bereich reingebuttert. Also stellen Sie sich hier nicht hin und machen sich frei von jeglicher Verantwortung!
Jetzt ging es darum, Behörden am Laufen zu halten, obwohl der Großteil der Beschäftigten nicht am Arbeitsplatz sein konnte. Ja, die Pandemie wirkt auch in Berlin als Digitalisierungsbeschleuniger und legt gleichzeitig die Defizite unserer Infrastruktur schonungslos offen. Es fehlte an mobilen Geräten, an sicheren Zugängen zu Servern, an Videokonferenztechnik und an digitalen Tools zum gemeinsamen Arbeiten. Die Unzufriedenheit war verständlicherweise groß – sowohl bei den Bürgerinnen und Bürgern, die auf Bescheide und Genehmigungen warten mussten, aber vor allem bei unseren engagierten Beschäftigten in der Verwaltung selbst. Viele haben sich zunächst mit privaten Geräten und Anschlüssen beholfen, was allerdings Probleme mit dem Arbeitsschutz und dem Datenschutz aufwirft. Das gehört dazu. – Senat und Bezirke haben schnell reagiert und oft unkonventionelle Wege gefunden. Es wurden kurzfristig Tausende von Laptops angeschafft, obwohl der Markt leer war. Bootsticks ermöglichten vielen auch auf privaten Geräten ein sicheres Arbeiten von zu Hause, und da die sicheren VPN-Tunnel beim ITDZ nicht ausreichten – das ist immer noch so –, wurden kurzfristig und temporär teure Zugänge eines privaten Dienstleisters dazugekauft. Nicht zuletzt mussten kurzfristig datenschutzkonforme Lösungen für Video- und Telefonkonferenzen gefunden werden. Auch das ist keine Kleinigkeit.
Wir stehen heute nach acht Monaten noch nicht da, wo wir beim mobilen Arbeiten hinwollen, das ist richtig. Die Richtung stimmt aber, und das sollte man nicht kleinreden.
[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]
Wir können nicht abschätzen, was uns die Zukunft mit Corona bringt. Was wir wissen, ist, dass wir unsere Verwaltung pandemiefest machen müssen, nicht mehr mit Provisorien, sondern mit der Möglichkeit zum Homeoffice als Standard.
Der mobile PC, ein Laptop mit Dockingstation, wird zum Standard in der Berliner Verwaltung werden müssen. Ein Gerät soll dann an verschiedenen Arbeitsstätten, auch im Büro, ausreichen – und in den kommenden vier Jahren werden alle Computer in Berlin mobil sein. Wir werden an der Strategie festhalten, das ITDZ als zentralen Dienstleister des Landes mit der Beschaffung und Administration des Berlin-PCs als Standardarbeitsplatz zu betrauen. Nur wenn die Administration dezentralisiert nach aktuellen Standards funktioniert, können auch Sicherheit, Funktionsfähigkeit und Datenschutz gewährleistet werden. Das Gegenbeispiel hat uns das Kammergericht geliefert: In einer Feuerwehraktion hat das ITDZ beim Kammergericht ein komplett neues Netzwerk aus dem Boden gestampft und es so wieder arbeitsfähig gemacht. Dabei geht es auch um die Gewährleistung des Grundrechts des Justizschutzes, der Inanspruchnahme des gesetzlichen Richters. Danke für diesen Einsatz, der hoffentlich allen eine Lehre für die Zukunft war!
Aber auch Videokonferenzen gehören zu einer pandemiefesten Verwaltung. Lange wurde mit der Datenschutzbeauftragten nach einer Lösung gesucht, die sicher und vor allem datenschutzgerecht arbeitet. Immer wieder beschweren sich jetzt Beschäftigte aus Hauptverwaltungen und Bezirksverwaltungen bei uns, dass gefundene Lösungen nicht funktionieren. Wir haben das Thema bereits mehrfach im KTDat-Ausschuss adressiert, die IKTSteuerung hat allerdings weniger die Videokonferenzplattform als vielmehr die höchst unterschiedlichen Voraussetzungen bei Netzzugang und Hardware in den verschiedenen Häusern als Ursache ausgemacht. Dem gehen wir weiter nach.
Elektronische Aktenführung und digitale Geschäftsprozesse gehören ebenfalls zur pandemiefesten Verwaltung. Beides ist beschleunigt und mit auskömmlicher Finanzierung anzugehen. Daher zum Schluss ein Appell an uns alle: Sparen wir nicht am Rückgrat eines funktionierenden Gemeinwesens, sondern machen wir die Verwaltung und die Stadt Berlin pandemiefest! – Vielen Dank!

Im folgenden mein Redebeitrag in der 61. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 18. Wahlperiode vom 20.8.2020

Parlamentsreden vom rbb

Danke schön, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade mal nachgeguckt, Herr Lenz: ab Montag sind durchgehend Termine in Berliner Bürgerämtern verfügbar, um einen Personalausweis zu beantragen. Gucken Sie einfach mal im Internet unter service.berlin.de ab Montag rein! Das ist ganz hilfreich.
Sie können es gerne nachverfolgen. Einfach mal selber drauf gehen! Funktioniert!
Es wurde davon gesprochen, dass die FDP mit ihrem digitalen Rathaus hier eine besonders mutige Idee präsentiert hat. Ich finde nicht, dass das eine mutige Idee ist. Wenn man anfängt, einen Bypass um die Digitalisierung aller Ämter in Berlin herum zu bauen, dann ist das keine mutige Idee, sondern eigentlich das Eingeständnis, dass man mit der Digitalisierung des öffentlichen Sektors in Berlin nicht weiterkommt. So ist das bei uns nicht. Das hat der Kollege Kohlmeier eben auch schon ausgeführt. Wir brauchen kein digitales Leitamt – so ist das im FDP- Antrag gekennzeichnet –, sondern wir wollen unsere Bürgerämter insgesamt digitalisieren. Wir wollen alle Dienstleistungen im öffentlichen Sektor digitalisieren, auch vor Ort in den Bezirken. Es ist ein oberflächlicher Antrag. Warum? – Weil die ganze Infrastruktur, die dahinterliegt, die digitalisiert werden muss. Das heißt: das Breitband, die E-Akte, die Schulung der Beschäftigten. Das fehlt alles im Antrag. Es ist sozusagen nur die Oberfläche – das Bling-Bling – hier in dem Antrag gekennzeichnet. Und das ist für eine ernsthafte Befassung mit dem Thema einfach zu wenig. Tut mir leid!
Uns geht es ja darum, dass die Bürgerinnen und Bürger auf alle Dienstleistungen in Zukunft digital zugreifen können, und dass die Beschäftigten die Geschäftsprozesse auch digital abwickeln können, dass sie nicht mehr Papierakten durch die Gegend tragen, die sie aus ihren Schränken holen, sondern dass das alles digital funktioniert. Und in der Tat: Da gab es einige Rückschläge.
Wir müssen auch sagen, dass die Situation unserer Dienstgebäude deutlich komplizierter ist, als wir uns das vorgestellt haben und als sich das auch die große Koalition 2016 bei der Verabschiedung des E-Government- Gesetzes vorgestellt hat.
Wir haben mehr Probleme, als erwartet, und trotzdem arbeiten wir die Sachen seriös ab und sind auf einigen Stellen vorangekommen. Das will ich mal erwähnen. Wer sich heute service.berlin.de anguckt, der wird feststellen, dass das ganz anders aussieht, als vor fünf Jahren. Wir haben die Service-App für den öffentlichen Sektor, wir haben die Ordnungsamts-App, wir haben schon Dienstleistungen, die komplett digital abgewickelt werden können – da kommen immer weitere hinzu –, wir sind gerade dabei, die Homeofficefähigkeit deutlich zu verbessern – das ist die Lehre, die wir aus Corona ziehen müssen –, und es gibt einfach sehr viele Baustellen, die parallel abgearbeitet werden. Ja, es dauert zu lange, es könnte schneller gehen, aber dass hier nichts passiert und dass wir das digitale Rathaus bauen müssen, welches die FDP uns vorschlägt, sehe ich nicht. Da sind wir auf einem besseren Weg. – Danke schön!

Berlin Digital Rathaus

Im folgenden mein Redebeitrag in der 61. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 18. Wahlperiode vom 20.8.2020

Parlamentsreden vom RBB

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es hier in diesem Staatsvertrag? – Nach über 30 Jahren muss unsere Medien- und Rundfunkordnung vernünftig an das Internet angepasst werden. Dieser Staatsvertrag unternimmt darin einen Versuch, die Regelungen, die wir getroffen haben, um Konzentrationen im Medienbereich zu verhindern, um Meinungsvielfalt sicherzustellen, auf die digitale Welt zu übertragen. Dazu wird auch die Definition von Rundfunk im Staatsvertrag neu gefasst, und die Zulassungsverfahren, um Rundfunk betreiben zu können, die bisher vor allem auf Medienhäuser zugeschnitten sind, werden jetzt auf die digitale Welt orientiert, denn klar ist auch, es kann jeder Rundfunk machen heutzutage. Viele junge Menschen haben ihren eigenen Youtube-Kanal. Das zentrale Kennzeichen von Rundfunk, das immer noch im Staatsvertrag steht, ist, dass Rundfunk live zu passieren hat, also dass es ein lineares Angebot ist, das genau in der Zeit, in der es aufgenommen wird, auch ausgesendet wird.
Deswegen sind viele Youtuber, Gamer und ähnliche Medienproduzentinnen und -produzenten in den letzten Jahren unter die Rundfunkzulassungspflicht gefallen, und das hat doch unter vielen Menschen, die im Internet unterwegs sind, für Verwirrung gesorgt. Warum sollte ein 16-Jähriger, der jeden Tag ein Livevideo bei Youtube reinstellt und dafür viele Follower hat, eine Rundfunklizenz beantragen? – Das war aber bisher so. Jetzt ist es mit dem neuen Medienstaatsvertrag gelungen, diese Hürde deutlich zu senken. Jetzt muss nur noch jemand, der durchschnittlich mehr als 20 000 Nutzerinnen und Nutzer für seine Liveangebote hat, eine Rundfunklizenz beantragen.
Wo liegt jetzt das Problem bei diesem Medienstaatsvertrag? – Das Problem liegt darin, dass wir immer noch die alte Rundfunkdefinition haben, und die wird nicht mehr lange haltbar sein. Das heißt, lineare Angebote spielen zunehmend weniger eine Rolle, also Liveübertragungen und Liveangebote. Wer sich mal umguckt bei den Öffentlich-Rechtlichen und das vergleicht mit Videostreamingdiensten wie Netflix, wird feststellen, dass sich die Mediatheken und Netflix kaum noch unterscheiden, sowohl im Angebot als auch im ganzen Layout und in der Nutzung. Das heißt, wir werden in Zukunft dazu kommen müssen, dass wir ein integriertes Medienrecht bekommen, das tatsächlich der digitalen Wirklichkeit gerecht wird, und da müssen alle Angebote rein, denn klar ist auch, wir werden in Zukunft natürlich Medienkonzentrationen in verstärkter Form haben. Wir hatten im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien den Vorsitzenden der „Bild“-Chefredaktion, Herrn Reichelt, da, und er hat uns erzählt, wie die Strategien aussehen. „Bild“ will natürlich in Zukunft verstärkt Fernsehen machen und läuft derzeit aber unter Presseangebot. Die Frage, was Presse ist, was Rundfunk ist und was Internet ist, das wird sich in Zukunft gar nicht mehr so klar unterscheiden lassen. Das wird alles in eins übergehen. Wir müssen es natürlich trotzdem schaffen, dass wir dort keine Konzentration, sondern Transparenz reinbekommen. Ein Nutzer, eine Nutzerin sollte wissen, wer das ist, der das Angebot dort digital im Internet überträgt, denn wir haben zukünftig und auch jetzt schon Anbieter, die, zum Beispiel wie Russia Today, von Staaten finanziert werden und trotzdem im Prinzip Fernsehen machen, hier aber keine Rundfunklizenz haben, würden sie vermutlich auch nicht bekommen. Das ist das Problem, womit wir umgehen müssen.
Darum geht es doch. Das ist das Problem, womit wir umgehen müssen, dass diese ganzen Dinge in Zukunft ineinandergreifen und der etablierte Rundfunkbegriff uns da nicht mehr weiterhilft.
Das heißt, nach dem Staatsvertrag ist vor dem Staatsvertrag. Die Verhandlungen zu einem neuen Medienrecht in der digitalen Welt müssen jetzt starten. Wir werden den Staatsvertrag natürlich so verabschieden, wie es immer ist mit Staatsverträgen – die verhandeln die Landesregierungen miteinander –, aber wir werden weiterkommen müssen.
Es gibt natürlich genug Kritik aus der Internetszene, die sagen: Wir müssen eigentlich versuchen, jetzt schon weiterzugehen, denn die Entwicklung ist so rasend im digitalen Bereich, dass der Staatsvertrag, wenn er denn verabschiedet ist, schon veraltet ist. Deswegen müssen wir heute anfangen, neu darüber zu reden, wie wir das regulieren wollen, damit wir morgen nicht in einer Welt aufwachen, wo große Medienkonzerne unser Internet bestimmen. – Danke schön!

Medien Modernisierung Rundfunk Staatsvertrag

Im folgenden mein Redebeitrag in der 62. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 18. Wahlperiode vom 3.9.2020

Parlamentsreden vom RBB

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Grasse!
Die Uneinigkeit, die Sie uns gerade unterstellt haben, findet an dieser Stelle gerade nicht statt. Wir sind uns hier vollkommen einig, dass die Tatsache, dass das Berliner Institut für Gesundheitsforschung endlich bei der Charité landet, die logische Konsequenz aus den vergangenen Jahren ist, in denen es ein bisschen hin und her ging mit der Entwicklung dieses Instituts. Dass wir das Institut jetzt bei der Charité haben, ist genau richtig, um diesen Prozess – von der Klinik bis zur Anwendung in der Gesundheitsversorgung – gut hinzubekommen. Da werden Sie bei uns keine Uneinigkeit sehen. Da sind wir uns völlig einig. Das Gesetz ist ordentlich gemacht.
Zur zweiten Frage – Exzellenz –: Wir haben natürlich nichts gegen Exzellenz, vielmehr sind wir dafür, dass gute Wissenschaft, gute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die entsprechenden Arbeitsbedingungen bekommen, die sie brauchen. Das wird mit dem Berliner Institut für Gesundheitsforschung auch mittlerweile gewährleistet.
Ich erinnere noch mal daran – ich weiß nicht, wer von Ihnen die Bundesforschungsministerin Annette Schavan noch kennt –: Es war eines ihrer Projekte damals. Sie wollte unbedingt ein Translationsforschungsinstitut irgendwo in der Bundesrepublik ansiedeln, hat sich dann mit dem damaligen Wissenschaftssenator verbündet und dieses Institut auf die Charité aufgesattelt. Das war, wie wir heute wissen, keine ganz glückliche Konstruktion. Wir haben jetzt einen längeren Prozess der Neustrukturierung des Instituts hinter uns und sind froh, dass die Charité dabei die führende Rolle spielt und sich die Translation – und damit auch der Bund – auf den Weg begeben hat, sich dort unterzuordnen, damit die Wissenschaft den Vorrang hat und nicht der Leuchtturm. Die Qualität steht jetzt im Vordergrund und nicht mehr die Frage, ob der Bund hier ein Projekt hat, wo man gelegentlich mal Bänder durchschneiden kann. Das Zusammenwirken beider Einrichtungen ist vielmehr das Entscheidende.
Und ja, der Bund finanziert die Translationsforschung jetzt an der Charité mit 75 Millionen Euro. Das ist ein ordentliches Engagement, und dafür sind wir auch dankbar. Das Wichtigste ist allerdings, dass die Translationsforschung ohne den Riesentanker Charité überhaupt nicht möglich wäre; das muss man auch mal sagen. Der Bund hätte das BIG nicht einfach irgendwo auf die grüne Wiese stellen können, vielmehr brauchten sie damals so einen großen Unikliniktanker wie die Charité, die größte Uniklinik Europas, um die Translationsforschung, all die Übersetzungsleistungen in die Gesundheitsversorgung überhaupt erforschen zu können. Ich glaube, das ist jetzt hier auf einem guten Weg; das ist eine gute Struktur.
Die Kollegen vor mir haben schon erklärt, was Translation eigentlich ist, wie das funktioniert. Ich will daran erinnern, dass zum Beispiel Prof. Drosten einer der ersten Professoren an dem neuen BIG damals war und er jetzt in hervorragender Weise zeigt, wie klinische Forschung und Gesundheitsversorgung miteinander interagieren, wie das ineinander übergeht und er damit auch eine internationale Ausstrahlungskraft erreicht. Wenn wir auf diesem Weg weitergehen, dann, glaube ich, kann das BIG nach den Problemen, die es dort gegeben hat, noch zu einem guten Ende finden.
Ich will noch daran erinnern, dass wir den dritten Bereich Translationsforschung in der Charité jetzt natürlich auch personalmäßig absichern müssen. Es geht da ja auch Personal in die Charité über. Das wird jetzt ein ordentlicher Teil der Hochschulmedizin, worüber ich sehr froh bin, weil wir mit den unterschiedlichen Rechtskonstruktionen immer Probleme haben. Dass das jetzt Teil der Charité wird, ist eine gute Vereinbarung.
Ich will dem Senat, besonders dem Wissenschaftssenator und auch dem Staatssekretär dafür danken, dass sie diese doch lange währenden Verhandlungen mit dem Bund dazu geführt haben. Es war kein leichter Weg; es gab mehrfach auch andere Modelle, die für die Konstruktion des BIG auf der Tagesordnung standen. Dass das Land – die Charité – jetzt das Dach bildet und die Translationsforschung runtergegangen ist, ist, glaube ich, ein ganz entscheidender Punkt für den Erfolg, und dafür will ich dem Senat noch einmal danken. Die Verhandlungsleistungen mit dem BMBF waren an der Stelle sicherlich außerordentlich und nicht ganz einfach.
Wir haben hier insofern einen weiteren Baustein bei der Gesundheitsstadt-Strategie, der sehr wichtig ist.
Ich will noch eins hinzufügen: Ich habe gestern mit dem Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag über Forschung diskutiert, und ich glaube, wenn wir über Gesundheitsforschung in Berlin diskutieren, dann sollten wir die ärmeren Regionen dieser Welt nicht vergessen. Es wird derzeit viel über genbasierte individuelle Therapien gesprochen; das sind Dinge, die im reichen Europa und im reichen Nordamerika natürlich gut ankommen. Wir sehen aber gerade an Corona, das keine Grenzen kennt, dass wir, wenn wir hier forschen, auch an die Regionen der Welt denken müssen, wo es kein Gesundheitsversicherungssystem wie bei uns gibt, sondern wo die Menschen ganz einfache Dinge brauchen, um gesund zu werden, um gesund zu bleiben. Ich wünsche mir, dass das BIG auch dazu, zu Global Health und internationaler Gesundheitsforschung, seinen Beitrag leistet. – Herzlichen Dank!

Abgeordnetenhaus Berlin Charité Gesetz Gesundheitsforschung Integration Rede

Im folgenden mein Redebeitrag in der 61. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 18. Wahlperiode vom 20.8.2020

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vortrag von Herr Trefzer hat leider belegt, dass er das Thema Open Science nur zu einem kleinen Teil durch stiegen hat. Ihm ging es ausschließlich um die Frage wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Das Thema Open Science ist aber viel breiter und beinhaltet insbesondere den kostenlosen Zugang von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu den von ihnen selbst erarbeiteten Forschungsergebnissen. Dazu haben Sie gar nichts ge sagt. Das ist aber der große Teil von Open Science, nämlich Open Access, wo es darum geht, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in der Regel von Steuergeldern finanziert sind, die Forschungsergebnisse, die sie selbst erarbeitet haben, auch kostenfrei so zugänglich zu machen, dass die gesamte Bevölkerung und insbesondere die eigene Community sie lesen können, ohne ultrateure Zeitschriften von Springer oder Elsevier oder sonst irgendwem kaufen zu müssen. So ein Wissenschaftssystem haben wir derzeit nicht. Es gibt eine Riesenauseinandersetzung zwischen den Verlagen und den Wissenschaftseinrichtungen um die Frage, ob Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu verpflichtet werden können, ihre Dinge Open Access zu publizieren.
Sie sind ja ein häufiger Leser der „FAZ“, wie Sie immer wieder unter Beweis stellen. Die „FAZ“ ist einer der größten Gegner von Open Science und macht eine Kampagne nach der anderen gegen Open Science und Open Access; ich könnte ihn das alles belegen.
Sie haben auch nichts zum zweiten Problem von Open Science gesagt, und das ist der ganze Bereich der Auftragsforschung, da, wo wir Kooperationen oder Aufträge aus der Industrie haben. Da werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Regel dazu verdonnert, Geheimhaltung zu wahren und ihre Forschungsergebnisse gerade nicht offenzulegen, insbesondere dann nicht, wenn sie nicht den Erwartungen des Auftraggebers entsprechen.
Das sind alles Bereiche, die Sie weggelassen haben, und deswegen sage ich nur noch mal: Wer so verkürzt an das Thema Open Science herangeht, der erweist dem ganzen Bereich einen Bärendienst, wie Kollegin Czyborra es schon gesagt hat. Darüber können wir im Ausschuss noch mal reden, aber das hier war nichts. – Danke!

Abgeordnetenhaus Open Science Rede Research Quality

Im folgenden mein Redebeitrag in der 61. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses in der 18. Wahlperiode vom 20.8.2020

Parlamentsreden vom RBB

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es hier? – Es geht darum, dass der Forschungsraum Berlin zusammenwächst und wir einen gemeinsamen Forschungsraum schaffen. Diesen Forschungsraum gab es im Prinzip natürlich schon immer, wir konstituieren ihn nun aber auch gesetzlich.

Hintergrund dieser Konstituierung ist das Mehrwertsteuerrecht. Wo ist der Zusammenhang? – Der Zusammenhang besteht darin, dass die Europäische Union gemäß ihrer Binnenmarktgrundlagen von uns verlangt, dass wir alle diese Leistungen, die im öffentlichen Interesse und im öffentlichen Auftrag erbracht werden, auch unter öffentlichen Einrichtungen, im Prinzip als Dienstleistungen verstehen, und dass nur wenige, eng begrenzte Möglichkeiten bestehen, um diese Leistungen aus der Mehrwertsteuerpflicht herauszunehmen. Dazu gehören auch Forschungs-, Wissenschafts- und Bildungskooperationen. Und wir müssen, um das nachzuvollziehen, im Berliner Hochschulgesetz beschreiben, dass wir einen gemeinsamen Forschungsraum haben und dass alle Forschungsaktivitäten von den Hochschulen, den Kultureinrichtungen, den Bildungseinrichtungen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im öffentlichen Interesse sind und diese Aktivitäten mit öffentlich-rechtlichen Verträgen untermauert sind. Nur dann haben wir die Möglichkeit, das Ganze aus der Mehrwertsteuerpflicht auszunehmen, und das machen wir hier.
Wir ebnen den Hochschulen und den Instituten damit den Weg, gemeinsame Berufungen vorzunehmen und gemeinsame Projekte wieder auf die Schiene zu setzen. Denn wir hatten in den letzten Monaten vielfältige Anfragen von den Forschungsinstituten und Hochschulen, die gesagt haben: Was machen wir denn jetzt? Wir wollen auf gar keinen Fall in Zukunft Mehrwertsteuer oder Umsatzsteuer zahlen müssen, wenn wir eine Professorinnen oder ein Professor berufen. Bitte klärt das, präzisiert das, damit wir da rechtlich auf der sicheren Seite sind.
Dazu dient dieser Gesetzentwurf, der den gemeinsamen Forschungsraum konstituiert. Wir haben uns da in den Anhörungen auch Hilfe und Unterstützung geholt, sodass der Gesetzentwurf jetzt aus meiner Sicht rund und gut ist und unsere Wissenschaftslandschaft wieder guten Gewissens gemeinsame Berufungen vornehmen, Projekte umsetzen und weiterarbeiten kann. Deswegen werbe ich um Zustimmung und danke für die Aufmerksamkeit.

Abgeordnetenhaus Hochschulgesetz Rede

Das Abgeordnetenhaus debattierte heute im Rahmen seiner Aktuellen Stunde über die "Stärkung des Wissenschaftsstandorts Berlin". Auch wenn ich am Anfang auf Vorwürfe des CDU-Redners gegen unsere Bundestagsfraktion entkräften und das Manuskript weglegen musste: hier mein Redemanuskript (es gilt das gesprochene Wort).

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Ich will mit der guten Nachricht für die Wissenschaft in Berlin und in der Bundesrepublik beginnen:

2008 rief die Bundeskanzlerin die Bildungsrepublik Deutschland aus. Und es brauchte nur knapp elf Jahre, bis ihre Bundesregierung mit dem Hochschul- und dem Digitalpakt bereit ist, für diese Bildungsrepublik auch vorbehalt- und fristlos Verantwortung zu übernehmen.

Der Paradigmenwechsel, den auch wir als LINKE seit langem gefordert haben, nämlich, dass der Bund sich dauerhaft in der Grundfinanzierung der Hochschulen engagiert, wurde nun tatsächlich vereinbart.

Diese Pakte, insbesondere der Hochschulpakt, wurden unbefristet abgeschlossen!

Das ist ein Erfolg – weg von temporären Vereinbarungen, die immer wieder zum Spielball der Konjunktur zu verkommen drohten.

Die Älteren erinnern sich: der Hochschulpakt 2020 wurde im Jahr 2006 aus der Not der Länderfinanzen heraus geboren. Die Länder sahen sich nicht in der Lage, den notwendigen Ausbau der Studienplätze aus eigener Kraft zu stemmen. Man redete vom „Studierendenberg“, den es abzuarbeiten gälte. Der Bund bezuschusste dann neue Studienplätze und setzte auf diese Weise Anreize für die Länder.

Aber schlussendlich steht ein Erfolg: die Studierendenzahl in Deutschland stieg von knapp zwei Millionen im Jahr 2005 auf heute fast drei Millionen! Die Quote eines Jahrgangs, die ein Studium aufnimmt, lag 2005 bei 37 Prozent. Heute liegt sie bei knapp 60 Prozent. Ein Ende dieses Hochs ist nicht in Sicht. Aus dem Studierendenberg ist ein Hochplateau geworden.

Was für eine Bildungsexpansion! Es ist ja heute kaum noch von der Wissensgesellschaft die Rede. Aber sie ist zumindest bei der Beteiligung an Hochschulbildung Realität geworden – auch wenn viele Menschen beim Zugang zu Hochschulen und auch an den Hochshculen selbst nach wie vor diskriminiert werden. Hier haben wir noch einiges zu tun.

Allerdings, und das ist die Kehrseite des Booms: diese Ausweitung an Bildungschancen war nur möglich, weil die Hochschulen insbesondere in den nachgefragten Großstädten Höchstleistungen unter schwierigen Bedingungen vollbrachten.

Denn, und jetzt kommen die weniger guten Nachrichten: der Pakt war und ist unterfinanziert, die Hochschulen waren und sind es ebenfalls.

Auch hier bei uns in Berlin quetschte die Politik in den 2000er Jahren etwa 10 Prozent aus den Hochschulhaushalten heraus und sparten 75 Millionen Euro ein.

Trotzdem wuchs die Zahl der Studierenden auch in Berlin ungebremst.

Gut 130.000 Studierende waren es 2005 an den Berliner Hochschulen, knapp 190.000 Studierende sind es heute. Und obwohl die Mittel für unsere Hochschulen seit 2010 wieder stiegen, hielten sie nicht annähernd mit diesem Wachstum mit.

Erst Rot-Rot-Grün setzte hier mit einem jährlichen Aufwuchs von 3,5 Prozent ein klares Signal, dass das Sparen bei den Hochschulen ein Ende hat.

Parallel zum Aufwuchs der Studierenden explodierte das Drittmittelaufkommen. Hinter vorgehaltener Hand wird einem an den Universitäten berichtet, dass im Prinzip keine freie Forschung aus Grundmitteln mehr stattfindet. Grundmittel für die Lehre, Drittmittel für die Forschung – so die grobe Rechnung.

Und das angestellte Personal ist in dieser Situation die Verschiebemasse in den Hochschulhaushalten -  dies galt lange auch für Berlin. Mehr als 90 Prozent der angestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unseren Hochschulen sitzen auf befristeten Verträgen!

Wer nicht eine der wenigen Professorenstellen ergattert hat, fristet in der Regel ein prekäres Dasein mit Kettenbefristungen, oft noch auf Teilzeit. Wir haben ein Heer von Lehrbeauftragten, die vielfach im Haupterwerb Lehre zu vergleichsweise Dumpinglöhnen machen.

Der höchstqualifizierte Bereich des öffentlichen Sektors, nämlich unsere Wissenschaftslandschaft, ist zugleich der mit den schlechtesten Arbeitsbedingungen.

Das ist eine Schande, um es klar zu sagen. Diese Zustände sind nicht nur ungerecht, sondern darunter leidet auch die Qualität von Forschung und Lehre.

Das Land Berlin, namentlich der Regierende Bürgermeister und der Staatssekretär für Wissenschaft, haben sich in den Verhandlungen mit Bund und Ländern dafür eingesetzt, dass aus den Hochschulpaktmitteln zur Hälfte unbefristete Stellen eingerichtet werden müssen.

Auch die Bundesbildungsministerin war dafür.

Andere Landesregierungen hingegen lehnten Entfristungen ab – und deswegen wurde dieser Durchbruch verpasst. Ich hoffe, dass bis zur Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am 6. Juni hier noch etwas zu machen ist.

Wir in Berlin haben jedoch nicht gewartet, bis andere Länder soweit sind. Diese Koalition hat das Thema „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ zum Schlüsselthema dieser Legislaturperiode gemacht.

Wir haben die Trendwende für Gute Arbeit mit den Hochschulverträgen bereits eingeleitet. 35 Prozent der Stellen sind hier entfristet anzubieten.

Mit der kommenden Novelle des Hochschulgesetzes wollen wir weitere Schritte gehen, um die Personalstruktur zu modernisieren.

Nicht jeder und jede gute Wissenschaftlerin will und kann Professorin oder Professor werden. Wir werden eine dauerhafte Stellenkategorie schaffen, die eine selbständige wissenschaftliche Arbeit neben der Professur im Angestelltenverhältnis ermöglicht. Diese wird ein echter Durchbruch im bundesweiten Vergleich und ein klarer Standortvorteil für Berlin!

Mit diesen Dauerstellen gehen wir auch einen weiteren Schritt weg von der Orientierung auf einzelne Professuren mit ihrer Ausstattung hin zu Facultymodellen, wie sie sich etwa in den USA bewähren. Wissenschaft ist ein kollektiver, kein hierarchischer Prozess. Das müssen wir in den Strukturen abbilden!

Wir haben mit den Hochschulverträgen die Vergütung der Lehrbeauftragten massiv erhöht.  Aber das war nur der Anfang. Wir wollen zukünftig den Grundsatz „Dauerstellen für Daueraufgaben“ zum gesetzlichen Leitprinzip machen.

Lehraufträge sind ein gutes Instrument, um externes Wissen in die Lehre zu integrieren. Als Instrument zum billigen Füllen von Lücken in der Personaldecke jedoch sollen sie zukünftig nicht mehr eingesetzt werden.

Zum Schluss: gute Arbeitsbedingungen sind nicht das Ziel von Wissenschaft, sondern sie dienen einem Ziel – nämlich Wissen zu erarbeiten und weiter zu geben, das der Gesellschaft, das auch uns als Stadt nutzt.

Die Milliarden, die in die Hochschulen und Forschungseinrichtungen gehen, müssen sich natürlich immer vor allen legitimieren, deren Steuergelder da investiert werden.

Wissenschaft in Berlin ist kein Elfenbeinturm, der nur auf internationale Rankings fixiert ist.

Wir haben mit den Hochschulverträgen besonders die Studiengänge ausgebaut, die unsere wachsende Stadt braucht. Sozialpädagog_innen, Verwaltungsfachleute, Polizist_innen, Fachkräfte in der Pflege und nicht zuletzt Lehrerinnen und Lehrer.

Mit dem kommenden Doppelhaushalt bringen wir erstmals ein landeseigenes Förderprogramm auf den Weg, das die Forschung für die wachsende Stadt unterstützen soll. Ob Gesundheit, Mobilität, ob Klimaschutz, Wohnen oder Stadtentwicklung – wir wollen erkunden, welche Fragen die Forschung für unsere Stadt beantworten kann.

Jeder Berliner und jede Berlinerin soll wissen, dass wir in einer Stadt des Wissens leben und dass alle davon profitieren können. In einer Zeit, in der in anderen Ländern die freie Wissenschaft verfolgt und vertrieben wird, gehen wir den gegenteiligen Weg.

Wir öffnen das Wissen für alle. Wir leben die Freiheit der Wissenschaft. Ohne eine lebendige Wissenschaft ist Berlin nicht Berlin.

 

 

Am heutigen Donnerstag wurde im Abgeordnetenhaus der Senatsentwurf für eine Änderung des Berliner Hochschulgesetzes diskutiert. Es geht um die Grundlagen für die Einführung von Tenure-Track-Professuren, die Regelung von befristeten Professuren sowie damit zusammenhängend der Verankerung von Berufungssatzungen. Diese Initiative geht auf Empfehlungen des Wissenschaftsrates sowie ein nachfolgendes Programm des Bundes für die Förderung von 1.000 Tenure-Professuren zurück. Die Berliner Universitäten bewerben sich auf dieses Programm.

Hier mein Redebeitrag dazu (Manuskript):

Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich hier den großen Soziologen Max Weber, der vor fast 100 Jahren folgendes schrieb:

 „…es ist außerordentlich gewagt für einen jungen Gelehrten, der keinerlei Vermögen hat, überhaupt den Bedingungen der akademischen Laufbahn sich auszusetzen.

Er muss es mindestens eine Anzahl Jahre aushalten können, ohne irgendwie zu wissen, ob er nachher die Chancen hat, einzurücken in eine Stellung, die für den Unterhalt ausreicht.“  Zitat Ende.

Junge Menschen, die sich für „Wissenschaft als Beruf“ entscheiden, waren damals und sind bis heute Hazardeure.

ES WAR UND IST vollkommen unberechenbar, ob fleißige und innovative Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler es bis auf eine unbefristete Professur schaffen.

Aus diesem Grund werden diese Promovierten oder Habilitierten immer noch als Nachwuchs bezeichnet.

Und das,

-obwohl sie in der Regel das 30. und oft das 40. Lebensjahr überschritten haben,

-obwohl sie oft innovative Forschungsergebnisse vorweisen können und den Hauptteil der Lehre in unseren Universitäten leisten.

Um es klar zu sagen: diese Leistungsträger „Nachwuchs“ zu nennen, wird ihrer Bedeutung für unsere Wissenschaftseinrichtungen nicht mal annähernd gerecht!

Dass eine wissenschaftliche Laufbahn heute immer noch einem Glücksspiel gleicht - wie vor einhundert Jahren - hat viel mit überkommenen, nur auf die Professur orientierten Strukturen, aber auch mit versäumter Personalentwicklung zu tun.

Der vorliegende Gesetzentwurf geht nun EINE von vielen Lücken diesbezüglich an, denn er schafft transparentere und verlässlichere Wege zur Professur.

Wie schon Max Weber es tat, können wir uns dabei etwas von den Hochschulstrukturen im anglo-amerikanischen Raum abgucken. Das Stichwort für Personalentwicklung kommt von dort und lautet „Tenure Track“.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auf eine befristete Juniorprofessur berufen werden, beschreiten damit einen verbindlichen Weg in Richtung Lebenszeitprofessur. Es geht um eine Art Probezeit mit festen Meilensteinen vor der Entfristung.

Zugleich sollen die Universitäten erstmals klare Regeln für Berufungen in Satzungen transparent und demokratisch festschreiben. Solch ein System wollen wir nun im Hochschulgesetz verankern.

Das wäre nicht nur ein Fortschritt hin zu mehr Gerechtigkeit. Es ist eine schlichte Notwendigkeit, wenn man kreative Köpfe für die Wissenschaft gewinnen und halten will.

Die Zeiten, in denen diese aus purem Enthusiasmus jede noch so prekäre, befristete und abhängige Teilzeitstelle antreten und sich von Vertrag zu Vertrag hangeln, sind endlich. Prekarität, meine Damen und Herren, ist kein Qualitätsmerkmal!

Nur wer transparente Wege zur Professur definiert, kann mehr kreative und innovative Männer und besonders auch Frauen dafür begeistern.

Das hat selbst die Bundesregierung erkannt und gibt in den kommenden zehn Jahren eine Milliarde Euro zur Finanzierung von 1000 Tenure-Track-Professuren aus, etwa 65 davon sollen für Berlin eingeworben werden.

Dieser Gesetzentwurf ist EIN Baustein für eine moderne Personalentwicklung im Sinne Guter Arbeit an Berlins Hochschulen.

Weitere werden folgen. R2G liefert.

 

Hochschulen Mittelbau Tenure Track Wissenschaft