Mieter*innen der GESOBAU im Sprengelkiez wehren sich gegen Mieterhöhungen
Mal was anderes – Milieuschutz in Mitte
In Mitte wurden im letzten Jahr fünf soziale Erhaltungsgebiete (Milieuschutzgebiete) festgesetzt. Diese sollen die vorhandene Bevölkerung vor Verdrängung schützen. Innerhalb der vertiefenden Untersuchung zum Milieuschutz im Wedding führten die Gutachtenden Haushaltsbefragungen durch. Im Untersuchungsgebiet Sparrplatz zeichnete sich dabei unter anderem eine Mietbelastungsquote von 40,1% ab. Das heißt 40,1% des Einkommens werden im Durchschnitt für die Wohnkosten aufgewendet. Dementsprechend befinden sich die Mieten für Menschen mit geringem Einkommen kaum mehr in einer angemessenen Höhe. Weitere Mietsteigerungen wären nicht tragbar. Die Gutachtenden schlugen deshalb „eine strikte und umfassende Begrenzung der modernisierungsbedingten Mietsteigerungen auf das Niveau des Berliner Mietspiegels bzw. das jeweils spezifische Mietniveau der Nachbarschaft durch die Anwendung eines gebietsspezifischen Mietspiegels“ vor. Der Bezirk macht sich nun dem gebietsspezifischen Mietspiegel zu nutze. Die sogenannten Verordnungsmieten stellen allerdings keine Mietobergrenzen dar, sondern dienen lediglich als Prüfkriterium. Während andere Bezirke einen Kriterienkatalog abarbeiten um festzustellen, ob die Maßnahmen einen zeitgemäßen Standard – wie es die soziale Erhaltungsverordnung zulässt – herstellen, sind die Prüfkriterien in Mitte gebietsspezifisch und leiten sich aus dem Bestand ab. Lediglich ermessensleitende Kriterien leisten bei der Beurteilung Abhilfe. Demnach wird jeder Antrag für genehmigungspflichtige Vorhaben als Einzelfall geprüft. Die Verordnungsmieten schaffen dabei eine Orientierungshilfe: Liegen die Mieten nach Modernisierung über dem Kiezniveau, werden anschließend die dazu führenden Maßnahmen ausfindig gemacht. Des Weiteren ist mit den Verordnungsmieten die Möglichkeit einer freiwilligen Verpflichtungserklärung zu deren Einhaltung gegeben. Auf eine Anfrage in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) stellte sich heraus, dass sich nach Schätzung lediglich die Hälfte an die Verordnungsmieten halten. Ein Instrument zur strikten Begrenzung der Mietsteigerungen ist dies somit keinesfalls und aufgrund eines Gerichtsurteils von 2004 nur schwer als solches durchsetzbar.
GESOBAU im Sprengelkiez hält sich nicht an die Verordnungsmieten
Wahrscheinlich ist es nach den vielzähligen Negativschlagzeilen zu den städtischen Wohnungsbaugesellschaften nicht besonders verwunderlich, dass gerade die GESOBAU zu den 50% gehört, die die Verordnungsmieten nicht einhalten. Im November erhielten die Mieter*innen aus fünf Häusern der GESOBAU im Sprengelkiez Modernisierungsankündigungen. Die Häuser befinden sich im Milieuschutzgebiet Sparrplatz. Lange hat sich nichts getan. Die Wohnungen befinden sich in unterschiedlichen Zuständen. Einige Mieter*innen haben ihre Wohnungen eigens aufgebessert, andere leben mit Ofenheizung. Zur Herstellung des zeitgemäßen Standards ist durch die jahrelange Aufschiebung durchaus noch Luft und die Modernisierungsumlage fällt dementsprechend hoch aus.
In zwei Häusern in der Sprengelstraße kamen die Nachbar*innen untereinander ins Gespräch, suchten den Kontakt zur GESOBAU und nutzten die im Milieuschutzgebiet eingesetzte Mieterberatung Wedding. In den Modernisierungsankündigungen hatten sie bereits Widersprüche und Fehler festgestellt. Des Weiteren sahen sie es nicht ein, einen Aufzug zum Ausbau des Daches mitzutragen.
Die Kommunikation mit der GESOBAU verlief schleppend. Antworten auf Emails ließen Wochen auf sich warten. Auch über die Mieterberatung Wedding konnte das Kommunikationsdefizit nicht kompensiert werden. Die Mieterberatung machte ihnen deutlich, dass sie sich nicht parteiisch für sie als Mieter*innen einsetzen könne. In den Gesprächen kamen zudem Irritationen auf, da die Verordnungsmieten nicht verständlich als Prüfinstrument dargestellt wurden. Bei der öffentlichen Veranstaltung zum Milieuschutz der Mieterberatung und des Bezirksamtes im Februar wurden sie dann eines Besseren belehrt: Keine verbindliche Mietobergrenze! Durch die Anwesenheit eines Vertreters der GESOBAU war es den Mieter*innen dennoch möglich öffentlich Kritik zu üben. Um den Konflikt während der Veranstaltung zu unterbinden, schlug die Mieterberatung daraufhin eine Mieterversammlung vor. Die Anstrengungen und der immense Zeitaufwand der Mieter*innen hat sich gelohnt, noch vor der Versammlung wurden die Modernisierungen um 2 Jahre verschoben. Mit den Mieter*innen sollen zukünftig Einzelgespräche geführt werden. Im Herbst gehen korrigierte Pläne an das Bezirksamt und nach einer weiteren Mieterversammlung im Januar folgen neue Modernisierungsankündigungen.
Die Verordnungsmieten scheinen weiterhin keine Rolle für die GESOBAU zu spielen. Tobias Schulze hat sich zwischenzeitlich um die Aufklärung eines Schreibens von Katrin Lompscher, der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, gekümmert. In dem Antwortschreiben von Katrin Lompscher versichert sie den Mieter*innen, dass die GESOBAU sich an die Mietobergrenze des gebietsspezifischen Mietspiegels zu halten habe. Die GESOBAU hingegen widerspricht dieser Zusage. Nun stellte sich heraus, dass die GESOBAU gegenüber der Senatsverwaltung falsche Angaben machte.
Solidarische Nachbarschaft
Die Verschiebung galt leider nicht alle fünf Häusern der GESOBAU im Sprengelkiez. In den drei Häusern der Sparrstraße haben die Modernisierungsmaßnahmen bereits begonnen. Dort hat die GESOBAU genügend Duldungserklärungen erhalten. Da Unklarheit darüber bestand, ob der Verbleib der Mieter*innen in ihren Wohnungen gefährdet ist, wurde in Kooperation der Ortsgruppe Wedding der Berliner Mietergemeinschaft und dem Abgeordnetenbüro von Tobias Schulze eine weitere Mieterversammlung organisiert, um nachzufragen und zu vernetzen. Wie es bereits mit den Mieter*innen in der Sprengelstraße stattfand , konnte in Unterstützung der Berliner MieterGemeinschaft Ortsgruppe Wedding, den Mieter*innen der Sparrstraße rechtliche Fragen beantwortet werden. Ein Nachbar aus der Sprengelstraße erläuterte außerdem deren Vorgehen und Selbstorganisation. Die Versammlung ergab, dass die Obergrenzen des gebietsspezifischen Mietspiegels bei einer Nettokaltmiete von 5,93 €/qm liegen und die Gesobau durchschnittlich 6,50 €/qm ankündigt. Die Anpassung an den zeitgemäßen Standard in der Sparrstraße führt zu einer durchschnittliche Mietsteigerung von 2,13 €/qm. Daraus folgen Mietsteigerungen von 150 bis knapp 400 € im Monat. Erschwerend kommt hinzu, dass Anträge auf soziale Härte von der GESOBAU abgelehnt wurden. Die Gründe sind für die Mieter*innen nicht nachvollziehbar.
WohnungsSenatorin Lompscher Begrenzt Mieterhöhungsmöglichkeiten
Hoffnung liegt jetzt in der geschlossenen Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Die neuen Modernisierungsankündigungen stehen noch aus. Die Mieter*innen der Sparrstraße haben allerdings bereits einen Brief erhalten, in dem die Gesobau die neue, abgesenkte Modernisierungsumlage von 6% angekündigt. Des Weiteren können Kappungen auf 30% des Einkommens beantragt werden. Hierzu gelten die Einkommensgrenzen für den Wohnberechtigungsscheins und die dazu geltenden Wohnflächengrenzen. Einige Mieter*innen der aus Sparr-, sowie aus der Sprengelstraße leben in Wohnungen, die über den Wohnflächenbegrenzungen liegen. Was mit ihnen passiert ist unklar. Im weiteren Kontakt mit den Mieter*innen, werden wir darauf achten, dass für alle tragbare Lösungen gefunden werden und dass die Kooperationsvereinbarung eingehalten wird.
Eigenart des Milieuschutzes in Mitte nutzen
Obwohl Milieuschutz keinen sicheren Schutz vor Verdrängung darstellt, müssen die wenigen Möglichkeiten, die das Instrument hergibt weiter ausgeschöpft werden. Grundlage für die Funktionalität des Instruments ist dabei das Wissen über dessen Existenz. Die Mieter*innen kontrollieren mitunter die Beantragung der Vermieter*innen von genehmigungspflichtigen Vorhaben. Eine Vielzahl der betroffenen Mieter*innen äußerten die Infobroschüren zum Milieuschutz nicht erhalten zu haben. Hinzukommt, dass es sich nicht um eine Infobroschüre handelt, die für alle verständlich ist. Dies liegt nicht nur an der Ausdrucksweise, sondern auch an fehlenden Übersetzungen. Wer den Wedding kennt, weiß dass hier nicht nur deutsch gesprochen wird.
Laut Gutachten zu den vertiefenden Untersuchungen ist in den meisten Häusern bereits ein zeitgemäßer Standard erreicht. In den Verordnungsmieten und im zeitgemäßen Standard, der sich aus dem Kiezvergleich ergibt, liegt Potenzial Spielräume auszureizen und das Mietniveau zu halten. Dies ist allerdings stark abhängig von den Zuständigen im Stadtplanungsamt nach deren Ermessen die Anträge bewilligt werden.