LINKE fordert Soforthilfe für Studierende und Lehrende in Corona-Krise

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftspolitik der LINKEN, darunter die wissenschaftspolitischen Sprecher_innen aus Bundestagsfraktion und Landtagsfraktionen Nicole Gohlke, Dr. Petra Sitte, Christian Schaft, Isabelle Vandré, Hendrik Lange, Miriam Strunge, Dr. Stephanie Rose und ich, wendet sich mit einem Positionspapier (pdf) an die Regierungen in Bund und Ländern.

Auch für viele Studierende ist die finanzielle Lage derzeit extrem angespannt. Sehr häufig angewiesen auf einen Nebenjob, stehen sie jetzt vor verschlossenen Türen. Hinzu kommt, dass nur jede_r Fünfte Bafög – berechtigt ist, Studierende keinen Anspruch auf Grundsicherung haben und sie auch aus der Kurzarbeiterregelung rausfallen.

Hier rächt es sich, dass auch die letzte Bafög – Reform nur halbherzig durchgezogen wurde und kaum etwas an der sozialen Situation der Studis verbessert hat. Deswegen braucht es jetzt ein Hilfsprogramm für Studierende. Im Mittelpunkt müssen unbürokratische und rückzahlungsfreie Zuschüssen zum Lebensunterhalt stehen.

Außerdem wird bundesweit derzeit diskutiert wie mit dem z.T. bereits begonnenen Sommersemester 2020 zu verfahren ist.

Wir finden, ob Nichtsemester, Options – oder Kreativsemester, wichtig sind bundeseinheitliche Regelungen, die für Studierende und Beschäftigte ohne Nachteil sind. Das bedeutet, befristete Beschäftigungsverhältnisse müssen um ein Semester verlängert werden, damit Qualifizierungsziele erreicht und Forschungsprojekte abgeschlossen werden können.

Viele dieser Maßnahmen werden für Berlin bereits vorbereitet, allerdings ist der Bund ebenso gefragt. Und hier der Volltext:

Forderungspapier der LINKEN Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaft (27.03.2020)

Folgen der Corona-Krise an den Hochschulen solidarisch bewältigen!

Die Corona-Krise ist eine schwierige Phase, die alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche beansprucht und beeinflusst. Das Ringen um eine Eindämmung der Ausbreitung des Virus und der Umgang mit den sozialen sowie ökonomischen Folgen bestimmen im Moment das Denken und Handeln weltweit. Neben unser aller Alltag sind auch Lehre und Forschung an Hochschulen vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Ja, im Moment müssen die Verlangsamung der Ausbreitung des Virus und die Aufrechterhaltung wichtiger Funktionen der öffentlichen Versorgung wirklich im Vordergrund stehen. Dazu leisten auch die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen mit Notbetrieb und der Verschiebung des Semesterstarts einen Beitrag, ebenso wie mit der Forschung auf Hochtouren zur Bekämpfung des Coronavirus. Aus dieser Situation erwachsen aber für Studierende und Beschäftigte viele Fragen und Unsicherheiten, die wir ihnen nehmen müssen. Wir brauchen Lösungen und gemeinsame Wege, die auch in der Wissenschaft – von den Studierenden bis zu den Lehrenden jeder Personalkategorie und Mitarbeiter*innen in Verwaltung sowie externer Dienstleister*innen – niemanden zurücklassen. Viele werden auch finanziell und existentiell hart auf die Probe gestellt. Es muss weiter Miete gezahlt und Lebensmittel müssen eingekauft werden, auch wenn das BAföG nicht reicht und dringend benötigte Nebenjobs pausieren müssen. Beschäftigte in befristeten Arbeitsverhältnissen, sind nicht seit Kurzem, aber jetzt in besonderem Maße einer erheblichen Planungsunsicherheit ausgesetzt. Es zeigen sich auch in diesem Bereich die Versäumnisse in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik der letzten Jahre. Die Krisenbewältigung sollte daher auch als Chance begriffen werden, nicht nur ad hoc solidarische Hilfe zu leisten, sondern langfristige strukturelle Verbesserungen in den Hochschulen zu bewirken. Wir müssen auch bereits jetzt über die Zeit der akuten Einschränkungen hinweg denken und überlegen, wie wir das Hochschul- und Wissenschaftssystem “nach Corona” entwickeln wollen, um dem Ziel einer offenen, sozialen und demokratischen Hochschule näher zu kommen. Viele Menschen an den Hochschulen machen sich darüber bereits Gedanken und zeigen den politischen Verantwortungsträger*innen und den wissenschaftlichen Institutionen die ganz dringend notwendigen, wie auch langfristigen Handlungsperspektiven auf. Von Studierendenvertretungen und Mittelbauinitiativen, bis hin zu einem offenen Brief von Tausenden Hochschulbeschäftigten bundesweit mit der Forderung danach, das Sommersemester 2020 zu einem #Nichtsemester zu machen. Als LINKE Wissenschaftspolitiker*innen und wissenschaftspolitisch Aktive unterstützen wir diese Idee. Ob Nichtsemester, Optionssemester oder Kreativsemester: Wichtig ist nicht der Name, wichtig ist, welche Lösungen wir für Studierende und Beschäftigte finden. Deshalb fordern wir:

  • Einheitliche Maßnahmen an den Hochschulen

Für Studierende und die Beschäftigten an den Hochschulen bedarf es einer verlässlichen und einheitlichen Regelung für das aktuelle Sommersemester und das kommende Wintersemester. Das bedarf u.a. der Anpassungen von BAföG-Ansprüchen sowie der Verlängerung der Regelstudienzeit und von befristeten Beschäftigungsverhältnissen um mindestens ein Semester. Niemandem darf ein Nachteil aus der derzeitigen Krisensituation entstehen, weder Studierenden noch den Beschäftigten. Sofern noch nicht geschehen sind die Hochschulen in den Notbetrieb zu versetzen. Anwesenheitspflichten als Prüfungsvoraussetzung sind vollumfänglich auszusetzen. Personal- und Studierendenvertretungen sollen in die Krisenstäbe der Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen eingebunden werden. Durch externe Dienstleister*innen an den Hochschulen Beschäftigte sollen Lohnfortzahlungen erhalten.  Die Bewerbungs- und Zulassungsfristen für das Wintersemester 2020/2021 müssen in der KMK miteinander abgestimmt verschoben werden, damit Studienberechtigte durch verschobene und ggf. entfallende Abschlussprüfungen an Gymnasien, Kollegs und weiteren Schulen bzw. Meisterprüfungen keine Nachteile erlangen, ebenso wie Studierende beim Zugang zum Master. Hochschulzulassungsbeschränkungen müssen deutlich gelockert werden. 

  • Schnelle Hilfe für Studierende

Alle BaföG-Berechtigten müssen lückenlos weiter gefördert werden. Das Sommersemester 2020 darf für Studierende, die eine Förderung nach BAföG erhalten, nicht auf die allgemeine Förderhöchstdauer angerechnet werden und durch die Ausnahmesituation nicht erbrachte Prüfungsleistungen dürfen nicht nach den geltenden Regelungen der Fördervoraussetzungen berücksichtigt werden. Einkommen, welche Studierende nun bei der Bekämpfung der Pandemie erhalten, etwa als medizinische Hilfskräfte, dürfen nicht auf das BAföG angerechnet werden. Für Studienanfänger*innen und Studienanfänger*innen, die ihr Master-Studium beginnen, muss es die Möglichkeit geben, auch bei einer Verschiebung des Studienbeginns das BAföG zum geplanten Ausbildungsbeginn auszuzahlen. Stipendien der Studien-, Promotions- und Graduiertenförderung sind ebenfalls um ein Semester zu verlängern.

Studierende haben in der Regel keinen Anspruch auf Grundsicherung und nicht einmal jede*r fünfte Studierende erhält BAföG. Deshalb müssen Bund und Länder einen Sozialfonds einrichten, aus dem Studierende in finanzieller Notlage unbürokratische und rückzahlungsfreie Zuschüsse zum Lebensunterhalt erhalten. Ebenso sind über die Darlehenskassen der Studierendenwerke schnelle und unbürokratische finanzielle Unterstützungen zu gewähren. Die Beantragung von Urlaubssemestern soll unbürokratisch gehandhabt und die Frist für die Beantragung verlängert werden, um bei Wegfall von Jobs ggf. die Beantragung von ALG II zu ermöglichen. 

  • Befristete Verträge verlängern – Planungssicherheit zu schaffen

Befristete Arbeitsverträge sind um mindestens ein Semester zu verlängern, damit die wissenschaftlichen Qualifizierungsziele erreicht und Forschungsprojekte abgeschlossen werden können. Die Unterbrechung und Verschiebung des Semesters soll nicht auf die Befristungsdauer nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) angerechnet werden. Das WissZeitVG muss entsprechend ergänzt werden. Die aktuelle Krise zeigt erneut auf, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz durch ein echtes Wissenschaftsqualifizierungsgesetz zu ersetzen ist. Wir fordern Bund und Länder auch auf, bei den Drittmittelgebern auf die Verlängerung aller befristeten Projekte hinzuwirken, so dass  befristete Verträge entsprechend um die Zeit der Corona-Krise verlängert werden. 

  • Finanzielle Sicherheit für Lehrbeauftragte und Honorarkräfte

Personen, die Lehraufträge angenommen haben muss ihre volle Semestervergütung ausgezahlt werden, um Verdienstausfälle zu kompensieren. Auch bei Ausfall oder Verschiebung ihrer Veranstaltungen müssen Sie einen Anspruch auf Abschlagszahlungen erhalten, ebenso wie studentische Honorarkräfte. Verträge mit studentischen Beschäftigten müssen wie geplant ausgestellt oder verlängert werden. 

  • Hilfe für sich im Ausland befindende und ausländische Studierende

Studierende, die ihren Auslandsaufenthalt zu Studienzwecken abbrechen oder nicht antreten möchten, dürfen dadurch keine Nachteile in ihrer Ausbildungsförderung erhalten. Ausländischen Studierenden muss per Erlass Sicherheit gegeben werden, dass sich der Semester- und Prüfungsausfall nicht negativ auf die Aufenthaltsdauer auswirken. Das bedeutet u.a. den Finanzierungsnachweis auszusetzen und eine schnelle Verlängerung der Aufenthaltstitel zu gewährleisten und Visa mindestens um ein Semester zu verlängern damit Studierende nicht unfreiwillig in ihre Herunftskänder zurückgeschickt werden können. Studiengebühren für Studierende aus Nicht-EU-Staaten müssen erlassen und schnellstmöglich abgeschafft werden. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang die Forderungen des Bundesverbandes der ausländischen Studierenden (BAS).

  • Regelungen für Prüfungen

Den Studierenden soll unkompliziert die Möglichkeit eingeräumt werden Prüfungsformen für zwingend notwendige und nicht auszusetzende Prüfungen umzuwandeln (bspw. eine mündliche Prüfung in eine Hausarbeit). Prüfungszeiträume und -fristen sollen möglichst kulant gestaltet werden, damit den Studierenden aus der Verschiebung des Semesterstarts keine Nachteile entstehen. Die Staatsexamensprüfungen müssen im Einvernehmen mit den Studierenden verschoben werden. Für betroffene Studierende muss es die Möglichkeit geben auch ohne Prüfung vorläufig zum Vorbereitungsdienst, Referendariat etc. zugelassen zu werden.

  • Finanzielle Unterstützung bei Aus- und Aufbau digitaler Infrastruktur

Für einen schnelleren Aus- und Aufbau digitaler Infrastrukturen an den Hochschulen sollen von Bund und Ländern zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die technische Infrastruktur für digitale Lehr- und Lernformate sowie Verwaltungsprozesse und das Personal im Umgang damit flächendeckend zu unterstützen. Gegebenenfalls muss Studierenden die nicht über die technischen Voraussetzungen und Zugänge verfügen, unter den Bedingungen des Notbetriebs von den Hochschulen die notwendige Infrastruktur bereitgestellt werden.

  • Finanzielle Hilfe für die Studierendenwerke

Die Studierendenwerke sollen finanzielle Unterstützung durch die Länder und den Bund erhalten, um Einnahmeausfälle (bspw. durch den geringeren Verkauf von Mensaessen) durch die Verschiebung des Vorlesungszeitraums zu kompensieren. Die Beratungsangebote der Studierendenwerke sollen nach Möglichkeit auch online zur Verfügung stehen. Eventuelle Mehrkosten durch Anschaffung von Hard- und Software sind den Studierendenwerken durch die Länder zu erstatten.

  • Diskriminierung durch Uni Assist beenden

Das Finanzierungsmodell von Uni Assist über Gebühren für ausländische Studienbewerber*innen war schon vor der Krise falsch. Jetzt müssen diese diskriminierenden Gebühren endlich zugunsten einer Finanzierung von Uni Assist durch den Bund abgeschafft werden. Die Mitarbeiter*innen, die wichtiges Know How über die internationalen Bildungssysteme angesammelt haben, sind zu entfristen und nach TVöD oder TV-L zu entlohnen. Die Aufgabe, die Beratung, Unterstützung und Transparenz in den Verfahren für ausländische Studienbewerber*innen zu verbessern, bleibt ebenso bestehen wie die Frage nach den Organisations- und Entscheidungsstrukturen von Uni Assist.