Privatdozent_innen in prekärer Lage

Den Begriff Privatdozent hat sicher jeder schon mal gehört. Dahinter verbirgt sich ein Titel, den Hochschulen für Habilitierte vergeben. Diese dürfen lehren und forschen, haben aber keine Professur. Ein Arbeitsverhältnis ist nicht automatisch damit verbunden, wohl aber die Pflicht mindestens einer Stunde zu lehren, wenn der Titel erhalten bleiben soll. Eine Stunde wird natürlich nicht gelehrt, also sind es in der Regel zwei.

Aus einer Präsentation von Prof. Jule Specht (HU Berlin)

Neben die Habilitation sind allerdings in heutigen Zeiten diverse weitere Wege zur Professur möglich. Bei dem aktuellen Verhältnis der Professuren zu berufungsfähigen Menschen sieht man schnell, dass die Chance von Privatdozent_innen, berufen zu werden, klein sind.

Und so ist eine Gruppe Höchstqualifizierter entstanden, die zum Teil eine der wenigen unbefristeten Mittelbaustellen ergattern konnte, sich zum Teil von Projektvertrag zu Projektvertrag hangelt, oder aber – noch prekärer – weitgehend unbezahlt über Jahre „Titellehre“ betreibt. PDs sind nicht die einzige Personalkategorie, die unbezahlt lehrt, aber die zahlreichste. In anderen Bundesländern ist die Situation ähnlich.

In einer Anfrage an den Senat, wollte ich wissen, wie viele Privatdozent_innen in Berlin „Titellehre“ machen und wie sie bezahlt werden. Die Antwort ist hier (pdf) zu finden.

Die Antworten der Universitäten zeigen, dass sich diese Zahlen  sehr unterschiedlich entwickeln, im Schnitt aber nicht sinken. Wie gezeigt ist die Habilitation in vielen Fächern weiter eine Qualifizierungsform, die trotz Konkurrenz von Juniorprofessuren, Nachwuchsgruppenleitungen usw., nicht ausstirbt. Weiter ist zu konstatieren, dass sich je nach Uni alle Fächergruppen mit recht hohen Zahlen ausweisen können – auch Natur- und Technikwissenschaften.

Nicht zuletzt habe ich nach der Unterrichtsgeldpauschale gefragt, die Privatdozent_innen für ihre Lehre erhalten. Diese ist in §133 des Berliner Hochschulgesetzes geregelt, dieser verweist wiederum auf §7 Abs. 2 des Hochschullehrergesetzes in der Fassung vom 13.12.1974 (sic!). Die einzige Änderung der Unterrichtsgeldpauschalen hat wohl bei der Euroumstellung stattgefunden. Die Regelungen sehen maximal 613,55 Euro pro Jahr vor, mindestens aber 76,69/Jahr. Die Mittelbau-Initiative spricht in ihrer Pressemitteilung von einer „Schutzgebühr.“

In Bayern klagt seit 2014 ein Privatdozent gegen den Freistaat auf Zahlung des Mindestlohns – eine Entscheidung steht noch aus. In Berlin hingegen haben sich PDs zusammengeschlossen und kämpfen um eine Verbesserung ihrer Situation. Sie fordern zumindest Lehraufträge für die Lehre. Die Mindestvergütung wird ab 2018 nach den neuen rot-rot-grün geprägten Hochschulverträgen von 24,50 auf 35  (2018) bzw. 37,50 Euro/Lehrstunde (ab 2019) steigen. Unsere Koalition will aber eigentlich weiter gehen und die Lehraufträge als Zusatz- nicht als Kerninstrument für Hochschullehre definieren. Dauerstellen für Daueraufgaben lautet hier das Credo, von dem auch Privatdozent_innen profitieren sollen.

Wir brauchen eine moderne Personalstruktur, die eine eigenständige wissenschaftliche Laufbahn neben der Professur ermöglicht. Mit Entfristungsquoten im Mittelbau wurde in den Hochschulverträgen der erste Grundstein gelegt. Personalentwicklungskonzepte an den Unis werden derzeit erarbeitet und in den kommenden Monaten diskutiert. Aber auch die neuen, vom Bund geförderten Tenure-Track-Professuren sollten für Privatdozent_innen offen stehen. Voraussetzung ist, dass die Eingangsvoraussetzungen nicht zu eng gefasst werden und etwa eine zu feste Zeitspanne zwischen Promotion und Berufungsmöglichkeit definiert werden.

In den kommenden Monaten wollen wir auch eine Debatte für eine Personalstrukturreform anstoßen, die in Richtung einer größeren Novelle des Berliner Hochschulgesetzes läuft. Wissenschaftler_innen, die auf dem Weg zu Professur trotz guter Qualifikation einfach an den Strukturen  scheitern, sollte es zukünftig immer weniger geben.