Besuch am Forschungsstandort Berlin-Buch

Vormittags noch bei der Eröffnung des neuen Zentrums „Digitale Zukunft“ der Einstein-Stiftung reisten danach die Mitglieder der Ausschüsse für Wirtschaft sowie für Wissenschaft in den Norden von Berlin – auf den Forschungs- und Technologiecampus nach Buch. Mit dem Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin, dem Leibniz-Institut für molekulare Pharmakologie aber auch 56 großen wie kleinen Firmen etwa Eckert & Ziegler und mehreren Kliniken hat sich hier ein großer Standort der Biotechnologie entwickelt. Dass hier mittlerweile wieder eine solch intensive Forschungs- und Entwicklungstätigkeit stattfindet, erstaunt angesichts der Geschichte umso mehr: nach der Wende wurden alle ansässigen Institute der DDR-Akademie u.a. zur Krebsforschung abgewickelt und alle Mitarbeiter_innen entlassen. 439 Millionen Euro haben Land, Bund und EU mittlerweile investiert. Das Konzept des Neustarts Mitte der 90er Jahre sei genau wie geplant aufgegangen, berichtete eine der beiden Geschäftsführerinnen der Betreibergesellschaft BBB, Dr. Quensel, den Ausschussmitgliedern. Die Flächen in den Technologie- und Gründerzentren seien ausgebucht, Firmen suchten nach Bauflächen, auch die Forschungsinstitute vergrößerten sich. Ziel damals war es, den auch räumlich engen Draht zwischen Grundlagenforschung und Produktentwicklung und Vermarktung aufzubauen und produktiv zu nutzen. Auch der Vorsitzende des MDC-Vorstands, Prof. Lohse, betonte die produktive Zusammenarbeit von öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen, Spin-Offs und älteren Firmen auf dem Campus.

Ganz praktisch berichteten die Gründer_innen der Firma OMEICOS in einem Vortrag von ihrem langen Weg zu einem pharmazeutischen Produkt. Konkret erforschen sie neuartige molekulare Wege zur Bekämpfung von Vorhofflimmern. Das entsprechende Verfahren könne möglicherweise auch bei Augenkrankheiten verwendet werden. Im Team der Firma, die eine Ausgründung aus dem MDC darstellt, arbeiten Ärzte, Pharmazeuten, Wirtschaftsfachleute multiprofessionell zusammen. 15 Millionen an Wagniskapital haben diese eingesammelt, um forschen und entwickeln zu können. Dieses stammt zumeist aus öffentlichen induzierten Quellen wie etwa dem Hightech-Gründerfonds. Dazu kamen Fördermittel in deutlich geringerem Umfang. Der öffentliche Anteil an der Finanzierung bezifferte Robert Fischer vom Management auf knapp die Hälfte. Dies entspricht in etwa dem Wert, der für die Pharma-Entwicklung insgesamt angenommen wird. Vor der klinischen Testphase 3, die zwischen 150 und 300 Millionen Euro teuer werden kann, werden Wirkstoffe und Verfahren in der Regel an größere Pharmaunternehmen verkauft. Trotzdem seien die Gründer nicht nur an diesem Verkauf, sondern vor allem an der langfristigen Entwicklung ihres Unternehmens, das aus der Forschung entstand, interessiert.

Natürlich sahen wir uns im Leibniz-Institut auch Labore an, in denen Roboter Hunderte Proben sehr präzise und schnell in die entsprechenden Reagenzgläser füllten. Die Digitalisierung wurde uns auch bei der Vorführung bildgebender Verfahren in der Zellforschung augenscheinlich.

Der Campus in Buch sei sehr international erklärte Prof. Lohse, mehr als die Hälfte der dort arbeitenden Menschen sprächen kein deutsch. „Mittelmäßiges Englisch“ sei deswegen die Arbeitssprache, so der Wissenschaftler scherzhaft.

Beim Rundgang wurde denn auch deutlich, dass Wissenschaft nie ohne den gesellschaftlichen Kontext zu denken ist. In den 40er Jahren wurde hier an Kindergehirnen geforscht. Diese stammten von Kindern, die zuvor in anderen Anstalten des 3. Reichs umgebracht worden waren. Ein Denkmal auf dem Campus erinnert heute an sie und ermahnt, die Verantwortung für die Rahmen und die Folgen von Wissenschaft mitzudenken.

In der an die Führung anschließenden Anhörung der beiden Ausschüsse wurden die Herausforderungen für die innovative Gesundheitswirtschaft deutlich: bei der Digitalisierung hinken etwa die Krankenhäuser hinterher, was Folgen für die Versorgung, aber auch die Forschung nach sich zieht. Auch bei den Fachkräften in Versorgung und Forschung muss weiter vorgesorgt werden. Insgesamt jedoch entwickelt sich die industrielle Gesundheitswirtschaft im Raum Berlin-Brandenburg zu einem echten Wachstumstreiber und stellt mittlerweile jeden fünften Arbeitsplatz im Verarbeitenden Gewerbe der Region.